Belgischer Brauzauber
Röstaromen unlimited: Kandissirup selbst gemacht – Teil 2
Kommt beim Brauen Zucker ins Spiel, scheiden sich die Geister. Nach dem überkommenen Deutschen Reinheitsgebot, kurz RHG, ist Zucker verboten. Nach dem vorläufigen Biersteuergesetz von 1993 und der Bierverordnung von 2005 dürfen invertierte Zucker sowie solche aus Zuckerrohr und Zuckerrübe für obergärige Biere verwendet werden; davon ausgenommen ist Milch- und Maiszucker. Unter massivem Lobbyeinsatz sperrt sich vor allem Bayern und Baden-Württemberg bisher bei untergärigen Bieren. Liberaler geht es im Norden von Deutschland sowie in Österreich und der Schweiz zu. Stubby hält es dagegen mit dem Natürlichkeitsgebot der Craft-Brauer. Er mag das bigotte Lobbyistengeplärre der Brauindustrie nicht, das Hopfenextrakt und chemische Klärung hinter einem Gesetz der Reinheit versteckt. Stubby sagt: Zucker ist seit Urzeiten eine Geschmackskomponente und gut ist.
Den einen Craft-Brauern reicht normaler Haushaltszucker, andere schütten edelste Kristalle aus Madagaskar, handgepflückt und Ober-Bio in ihren Sud. Die einen halten das alles für Kokolores, die anderen lieben dieses Chichi mit einem Hauch von Haute Couture. Der Streit, ob das rausgeworfenes Geld sei, ist so alt wie das Home-Brewing selbst, seit das in den Achtzigern in den USA vom Jimmy Carter, einem Erdnussfarmer, legalisiert wurde. Versteht sich, Stubby ist ein überzeugter RHG-Verbrecher!
Statusdenken
Findige Händler haben den Trend natürlich längst erkannt und sind mit High-End-Zuckern auf den süßen Zug aufgesprungen. Doch nicht immer wird aus einem Sack Maisflocken, gedacht als Nahrungsergänzung im Stall, mal eben schnell eine in kleinen Chargen umverpackte Brauzutat gemacht. Zucker ist mal eben mehr als ein paar Flöckli. Denn manchmal macht dieses ganze Zucker-Brimborium wirklich Sinn. Und der ergibt sich allein aus Zeit. Stubby sagt’s frei heraus: Wer’s bequem haben möchte, muss dafür zahlen. Wer bei guten Sirups allerdings Zeit mitbringt, darf das Muss mal eben in Frage stellen. Deswegen schreibt Stubby hier darüber, über diese ganze Zuckerkmanie und behauptet: Selbstgemacht ist vielfältiger und besser.
Status ist auch längst im Hobbybrauerbereich eine Marke: Daimler oder Dacia, ssBrewTech oder Plastikeimer – was willst du gegen meinen Muscovado anstinken? Als Stubby mit Zucker anfing, dachte er bruststolzgeschwellt nimmer daran einem Marketing-Trick aufgesessen zu sein. Er hatte sich für seinen ersten hellen Belgier diesen Sirup aus den Staaten gekauft. Candi Syrup heißt das Zeug, mit einem ganz besonderen „i“, ganz toller Website, mit ganz ganz vielen Rezepten und ganz ganz viel besonders teuer. Dann tröpfelten 487 Gramm von diesem Etwas ins Jungbier, der Zeigefinger konnte es nicht lassen zu naschen: Ganz normaler Zucker, feucht, weiß, klumpig, kaum aus der Tüte zu bekommen. In der dunklen Variante hätte die Zutat wegen der Aromen vielleicht noch Sinn gemacht, aber für ein geschmackloses Etwas hochgerechnet 25 Euronen aufs Kilogramm? Was man nicht alles für sein Bier tut.
Einfache Rezeptur
Nun lässt sich niemand gerne verhohnepiepeln, vor allem nicht die schwäbische Hausfrau. Nicht von hohlen Werbesprüchen, die mit neuer Rezeptur kalauern und mit weniger Inhalt daherkommen. Und überhaupt… Bausparer machen selbst. Die Rezeptur ist nämlich einfach:
Zucker + Lauge + Protein + Hitze = Kandissirup.
Das ist die Kurzfassung. Wer verstehen will warum, muss tiefer eintauchen. Das erklärt dann auch, warum hier keine Säure, sondern Lauge verwendet wird.
Das Problem mit selbstgemachten Kandissirup sind nicht die Fürsprecher der US-Marke Candi Syrup, die ihren kostspieligen Irrtum, psychologisch verständlich, rechtfertigen, indem sie behaupten, das Zeug sei unverwechselbar. Das stimmt zumindest dahingehend, als der Preis wirklich einmalig ist. Das Problem beim Selbermachen ist vielmehr das Kauderwelsch chemischer Kraftausdrücke, das dem Nicht-Chemiker unter den Selbermachern signalisiert: „Unwissender, keine Messerspitze weiter oder dich verschlingt eine gelb-rote Giftgaswolke.“ Dann kommen solch furchtbare Abkürzungen wie DAP als Bestandteil des Proteins, dann kommt nach einer gefühlten Ewigkeit die Übersetzung von DAP – Diammoniumphosphat. Und dem inzwischen klein geschrumpften Hobbybrauer schwant: „Noch so eine Tretmine.“
Dabei ist es ganz einfach: Die Maillard-Reaktion, also das leckere Brotaroma, braucht eine Ammoninumquelle und die liefert immer ein Protein, pardon: Eiweiß. Vereinfacht gesagt ist Ammonium eine Stickstoffquelle. Pflanzen und ihre Produkte verstehen sich damit prächtig. Das Ammonium kann nun eben ein Hefenährstoff wie DAP sein, den es im Weinhandel oder in größeren Braushops gibt oder das altehrwürdige Hirschhornsalz. Auch noch nie gehört? Nein, dabei handelt es sich nicht um Überreste der Jagdsaison, sondern um eine Grundzutat für Nürnberger Lebkuchen, die in jedem Gewürzregal als Backtriebmittel im Supermarkt erhältlich ist. Schön, dass Stubby das geklärt hat. Soll er noch tiefer wühlen?
Wichtig zu unterscheiden (so ganz allgemein):
- Invertzucker/Brewers Invert wird mit Säure gemacht. Die helle Variante trägt keine Aromen ein und macht das Bier trockener. Die dunkle Variante trägt Karamellaromen ein. Mit höherer Temperatur oder längerer Zeit nimmt die Färbung zu. Brewers Invert ist geeignet für belgische, englische und amerikanische Bierstile, speziell belgisches Saison und Tripel. ⇒ Teil1
- Kandissirup/Candi Syrup wird mit Lauge oder Kalk gemacht. Ziel ist eine forcierte Maillard-Reaktion durch Temperatur + Zucker + Protein. Ein hoher pH-Wert von 9 – 11 und eine zusätzliche Ammoniumquelle wie DAP oder Hirschhornsalz begünstigen diese. Der Unterschied ist ein stärkerer Eigengeschmack mit Röstaromen wie gemahlener Kaffee, dunkles Steinobst und geröstetes Brot. Er ist geeignet für dunkle belgische Bierstile wie Dubbel, Quadrupel. ⇒ Teil 2
- Molassesirup/Blackstrap wird als Blend aus Invertzucker und Molasse gemacht. Molasse trägt dabei einzigartige Aromen wie Lakritz ein. Durch die starke Färbung wird die Zeit zur Herstellung sowohl von englischem Brewers Invert als auch belgischem Candy Syrup deutlich verkürzt. Molassesirup ist geeignet für viele dunkle Bierstile. ⇒ Teil 3
Karamellisierung und Maillard-Reaktionen sind der Grund dafür, dass die dunklen belgischen Bonbonsirups so gut schmecken. Beide Prozesse laufen parallel ab. Die Kunst besteht darin die einzelnen Komponenten zu betonen.
Die Karamellisierung ist eine Art Pyrolyse, also eine thermisch-chemische Zersetzung. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um eine Karbonisierung des Zuckers, die, wenn man zu weit geht, zum charakteristischen Geschmack von verbranntem Zucker führt. Wenn die Karamellisierung indes kontrolliert und richtig durchgeführt wird, führt sie im Wesentlichen nur zur Farbbildung – wenn sie nicht zu weit geht. In Teil 1 „Alles auf Zucker“ – sind die Temperaturschritte ausführlich erklärt.
Backstube und Kaffeeduft
Den geschmacklichen Löwenanteil im Kandissirup bewerkstelligt die Maillard-Reaktion. Genauer ist ihr Geschmack Ergebnis einer Reaktion der Aminosäuren mit reduzierenden Zuckern über Zwischenschritte und Umlagerungen, an deren Ende Melanoidine gebildet werden. Diese aromatischen Dinger entstehen als Nebenprodukt bei der Bräunungsreaktion, egal ob in Kaffee, Brot oder Malz, egal ob Backstube, oder Kaffeerösterei. Es sind diese Melanoidine auf der Zunge, in der Nase, die beim Menschlein Glücksgefühle von Frische und Fernsehwerbung auslösen. Ist die Aktion gelungen, sagt man sich, so soll der Bonbonsirup fürs Bier sein. Einfach lecker.
Um diese Melanoidine also geht es bei der Herstellung des hauseigenen Kandiszuckers belgischer Art. Damit diese Melanoidine gebildet werden können, braucht es einen sanften Stupser aus der Hexenküche. Im Grunde kann das jedes beliebige Hefenährsalz sein, wie es in jedem Drogerieladen und Reformhaus erhältlich ist, vorneweg erwähntes Backtriebmittel Hirschhornsalz oder eben DAP, wie es bei der Weingärung eingesetzt wird. DAP gleich Diammoniumphosphat ist nicht der längste Name; bei überzeugungstätigen Chemikern ist der wissenschaftliche Name noch grottiger.
Ein saures Missverständnis
Der Grund für Hefenährstoff im hauseigenen Brauzucker ist, dass normaler Tafelzucker, auch wenn aus Rübenzucker gemacht, keine der notwendigen Aminosäuren zur Bildung der Melanoidine enthält. Man peppt mit Hefenährstoffen also die limitierte Geschmacksvielfalt von Haushaltszucker auf. Leider spielt dabei die Art der Aminosäure eine große Rolle. Unterschiedliche Aminosäuren führen zu unterschiedlichen Geschmacksrichtungen.
Ein echter Zuckerrübensirup vom Feld wird eine komplexere Mischung von Aminosäuren wie Glutamin, Lysine, Theonin oder Serin haben, die schwerlich nachzubilden ist. Dies wird die Geschmacksmöglichkeiten des heimischen Sirups anfangs etwas einschränken. Mit zunehmender Erfahrung spricht aber nichts dagegen mehrere Aminosäurequellen zu kombinieren oder gar unraffinierte Zutaten wie eben Rübensirup, Rohrohrzucker oder Molasse zusätzlich einzusetzen.
Stubby muss an dieser Stelle mit einem Missverständnis aufräumen, das Kandissirup immer mit Invertzucker verwechselt oder zumindest gleichsetzt: Traditionell wird echter belgischer Kandissirup aus Rübenzucker gemacht. Bei der Herstellung von eben diesem Rübensirup vermeidet man um jeden Preis, dass sich Invertzucker bilden. Rübenzucker ist also ideenleitend, bekanntlich führen aber viele Wege nach Rom. OK? Machen wir ein wenig in Dialektik und versuchen es mit einem Syllogismus – dann ist’s einfacher:
- Invertsirup benötigt Säure für die Invertierung
- Rübenzucker als Grundlage von Kandissirup vermeidet Invertierung
- Kandissirup ist daher nicht gleich Invertzucker, weil er keine Säure benötigt
Damit ist ein Grund examiniert, warum Stubby Säure in der obigen Formel Säure unterschlagen hat, wo doch viele Rezepte Säure in einem Atemzug mit Kandissirup nennen. Wie in Teil 1 beim Invertzucker beschrieben, braucht es bei der Invertierung eine acide Substanz, um die Spaltung der Saccharose in Glucose und Fructose zu unterstützen. Gut, das mag schneller und vollständiger sein, aber Saccharose selbst kann als schwache Säure wirken. Hitze reicht. Im schlimmsten Fall kann Säure Kandissirup tatsächlich schaden.
Nicht falsch verstehen, Säure ist kein No-Go, meist aber hat mit Säure gemachter Brausirup wenig mit einem belgischen Kandissirup zu tun. Es ist einfach etwas anderes.
Rübenzucker imitieren
Stubby erspart sich an dieser Stelle die komplizierten chemischen Vorgänge, die selbst Zuckerforscher ihr ganzes Berufsleben nicht vollumfänglich verstehen.
Bei der Herstellung von Rübenzucker jedenfalls fügt man gelöschten Kalk hinzu, auch bekannt als Calciumhydroxid oder Ca(OH)₂. Auf diese Weise werden Nichtzuckerstoffe entfernt. Das hat den schönen Effekt, dass der Sirup nicht auskristallisiert. Löschkalk kennen Brauer, die mit sehr kalkhaltigem Wasser gebenedeit sind.
Die Bewohner der Schwäbischen Alb haben dafür ein besonders großes Vokabular an Flüchen kultiviert. Bevor alle Alb-Brauereien in den 1980ern von den Neckartälern aus Stuttgart aufgekauft wurden, war die örtliche Plörre von der Alb eine Mutprobe wie Höhlentauchen im Blautopf.
Wohlan: Große Braushops führen diesen ungelöschten Kalk. Das Zeug fällt den Kalk in der Wasservorbehandlung aus. Nicht anders ist das beim Sirup. Selbst nach Ausfällung ist der pH-Wert mit 9 bis 11 immer noch ziemlich hoch. Aber genau diesen hohen pH-Wert will man als Sirupkocher haben. Mr. pH hilft nämlich verbrannte Zuckeraromen zu vermeiden, selbst wenn die Masse sehr dunkel ist.
Kalk löst sich schlecht in Wasser und trübt den Sirup später ein. Deswegen empfiehlt es sich vorab Wasser mit dem Löschkalk kurz aufzukochen. Auf die Mischung kommt es also an – die erste geht so:
Kandiszucker mit Kalk und Hefenahrung:
1kg Haushaltzucker
250 ml abgekochtes Wasser oder Osmosewasser
5 g gelöschter Kalk + 10 g Hefenahrung
Die zweite Mischung ist etwas experimenteller. Sie greift Teil 3 vor:
Kandiszucker mit Kalk und Hefenahrung:
1kg Haushaltzucker
250 ml abgekochtes Wasser oder Osmosewasser
5 g gelöschter Kalk + 10 g Hefenahrung + 10g Molassesirup
Bis auf den Kalk kann man alle Zutaten skalieren. Bei Kalk selbst ist Vorsicht angebracht. Er hat seine Tücken und verhält sich nicht linear. Zuviel davon und der Sirup schmeckt nach Medizin und man kann ihn wegschütten.
Die einzelnen Schritte gestalten sich einfach, schwieriger ist die Beurteilung, um Enttäuschungen zu vermeiden:
- Ein hoher Stiltopf ist erforderlich. Kalk hat ein überschäumendes Naturell.
- Die Mischung wird auf hoher Stufe erhitzt, bis sie kocht. Dabei sind die Zeiten in der Tabelle zu beachten.
- Wird die Mischung zu heiß, wird sie schaumiger und kocht schnell über. Kleine Mengen Wasser verhindern das Anbrennen. Aber: Das schaumige Stadium macht die Mischung dunkler und fördert das Aroma. Ausprobieren.
- Es hilft hin und wieder kleine Proben entnehmen, um die Aromaentwicklung zu beurteilen.
Bei Siedebeginn sollte es nach Ammoniak riechen. Tut es das nicht, wurde zu wenig Hefenährstoff verwendet. Wenn dem so ist, einfach zusätzlichen Hefenährstoff vorsichtig zugeben, nicht rühren! Durch die Hitze rührt sich das Wasser von selbst und die Zuckermoleküle werden geschont. Wenn es ab 5 Minuten nach Kirschen und Schokolade riecht und nach 15 Minuten zusätzlich nach Mandeln, hat man alles richtig gemacht.
Aromenentwicklung bei Zuckermischung mit Lauge
Zeit | 20 min | 30 min | 40 min |
---|---|---|---|
Kalk + Hefenährstoff |
Schokolade, ein Hauch Kaffee • bernstein |
Toffee, Schokolade, Crème- Brûlée-Karamell • braun |
Toffee, dunkle Früchte, Karamell (nicht beißend/bitter) • schwarz |
Kalk + Hefenährstoff + Molasse |
Schokolade, starkes Karamell und Toffee, leicht buttrig • braun |
Toffee, Anklänge dunkler Früchte und Schokolade, leicht buttrig • schwarz |
Überwiegend Toffee, Anklänge dunkler Früchte und Schokolade, leicht buttrig • schwarz |
Viele Zuckerkocher schwören auf Säure. Sie ziehen Lauge nicht in Erwägung und bringen sich damit um die typischen belgischen Aromen. Bei hochwertigen Rohzuckern sieht die Sache natürlich wieder anders aus: Haushaltszucker trägt, vor allem in der dunklen Variante, auch ein erkleckliches Aroma ein. Diese Variante kocht weniger schaumig als ein alkalischer Zuckerksirup und ist damit besser zu handhaben.
Würdigung der Hexenküche: Du stinkst so schön
Zusammenfasend lässt sich für belgischen Kandissirup sagen, dass die Herstellung nicht zickenfrei ist. Alle Zutaten haben ihre Stärken und Schwächen. Allen voran:
Kalk, der eine Zicke mit Charme ist. Kalk verhindert, dass der Geschmack verbrannten Zuckers auftritt. Das alkalische Milieu hemmt die Dehydratisierungsreaktionen von Zuckern, die normalerweise den verbrannten Geschmack verursachen. Eine Testcharge vorab vermeidet Assoziationen an einen Arztbesuch. Eine halbe Tasse Zucker mit etwas Wasser genügt. Zum Skalieren der Kalkmenge ist eine Feinwaage ein probates Hilfsmittel.
Säure – sie hemmt die Farbbildung und senkt den pH-Wert ab. Das sind beste Voraussetzungen für das Auftreten von Dehydrierungsreaktionen, gleichzusetzen mit dem Geschmack von verbranntem Zucker. Säure dankt langsames erhitzen.
Hefenährstoff – ist wie DAP die Phosphatquelle, um die Aromen von Melanoidine zu erzeugen. DAP selbst ist relativ fad. Besser sind Hefenährstoffe von Hefeherstellern wie Lallemand. Diese mischen ihrem Cocktail einige Mineralien bei. Fermaid K von Lallemand, Nutrient von Wyeast oder Servomyces von White Labs oder einfaches Hirschhornsalz machen unterschiedliche Aromen
Zugegeben, bis man seine Geschmacksrichtung gefunden hat, ist es ein längerer Weg. Danach aber, wie bei allem, ist es Routine. Eine, die outstanding schmeckt. Und deswegen macht sich Stubby bei diesem Thema so lang. Malte blinzelt.
Ich habe nun alle nötigen Materialien und Zutaten bestellt und werde in 2 Tagen das erste mal einen echten Belgischen Kandissirup kochen, ich freue mich so. Vielen Dank für diesen tollen Artikel.
VG Christian Becker
Gerne. Berichte über das Ergebnis.
Zu Deinen Fragen per Mail: Du brauchst neben Hirschhornsalz einen Säuresenker, also Kalk. Ein Mischungsverhältnis 2/3 Zucker, 1/3 Wasser sollte passen. Das Phosphat gibt man hinzu, sobald die Lösung klar ist und wartet dann bis zur gewünschten Farbe ab. Das kann schon mal 2 Stunden dauern.
Hallo, ich bin auf dem Geschmack gekommen und würde heute gerne nochmal einen Kandis Sirup machen. Dieses Mal aber mit Braunem Rohrzucker und Mascobado beides unraffiniert. Geht das? Wenn ja, muss ich den Kalk/Hirschhornsalz anders berechnen?
VG Christian Becker
Sowohl unraffinierter Rohrohrzucker, in Deutschland meist Demerara, als auch Muscovado sind hervorragende Kompomenten für einen Belgian Syrup. Ich würde jeweils nur eine Zuckerart verwenden, um eine bestimmte Geschmackskomponente zu betonen, sonst verschenkt man sensorische Unterschiede, die diese Zuckervarianten ausmachen. Soll die Farbgebung auch eine Rolle spielen, ist es bei Muscovado wichtig, ob es sich um hellen oder dunklen handelt. Zuerst also sollte man mit Single-Sirups beginnen, und wenn man Erfahrung hat, kann man sich in einem zweiten Schritt an Blends heranwagen.
Ich selbst gebe Muscovado direkt in die Gärung. Einen Sirup würde ich damit in verschiedenen Mischungsverhältnissen mit normalen Haushaltszucker angehen, angefangen mit 1:3, dann 2:2, dann 3:1. Typische Mischungsverhältnisse stehen in einigen Tabellen in dieser Zuckerreihe. Die sind aber nicht in Stein gemeißelt.
An den Mengen Kalk und Hefenährstoff muss man nichts ändern.
Versuche auch mal echten Rübensirup aufzutreiben.
Würde da der Grafschafter Goldsaft Zuckerrüben Sirup funktionieren? Oder ist das kein echter Rübensirup?
Grafschafter ist der Rübensirup schlechthin. Von Südzucker gibt es große Gebinde, erhältlich im Futterhandel oder landwirtschaftlichem Bedarf, etwa bei der BayWa, ist aber lebensmitteltauglich. Damit macht man den ultimativen Belgier. Wenn man fies ist, kann man sagen, dass Grafschafter eine Geschäftsidee vom Stall auf den Frühstückstisch ist, vom Futtermittel für die Kälbermast zum Brötchenaufstrich für den Tagesstart.
Brewferm oder belgische Shops führen 5-Liter-Kanister. Vorteil sind verschiedene Farbschattierungen. Belgische Originalrezepte nehmen Rübenzucker, bzw. -sirup. Schmeckt nach erdigem Karamell und russisch Brot, einfach weil nicht alle Nebenbestandteile wegraffiniert wurden. Allgemein wird Rübensirup zur Farbsteuerung eingesetzt. Ein Edelzucker wie Muscovado ist nur die Premiumvariante. Das ist einzig und allein eine Kostenfrage. Muscovado reizt nur das Machbare aus, für die Neugier im Hobbybereich. Wohl kaum ein professioneller Brauer wird das als Standard einsetzen, es sei denn für Showroom-Effekte…
Ich habe gestern einen Kandis Sirup mit 3/4 unraffiniertem Braunem Zucker und 1/4 weißem Haushaltszucker (Raffinade) Hergestellt. Im Vergleich zu dem Sirup den ich ausschließlich mit weißem Haushaltszucker gemacht habe, ist dieser nun unreiner. Liegt das daran, das mehr Stoffe ausgefällt werden, da nun 3/4 des verwendetem Zucker unraffiniert waren?
VG
Du hast eine große Menge unraffinierten Zucker mit hohem Melassegehalt verwendet. Dann ist der Zucker karamellisiert. Dann kann es auch mit der Temperatur zusammenhängen, dergestalt diese zu niedrig war. Ich würde einfach das Mengenverhältnis umdrehen. Eine gewisse Eintrübung wird es wegen der Melassebestandteile bei unraffiniertem Zucker von 1-3% immer geben, eine stärkere Eintrübung deutet hingegen entweder auf zu viel des Guten oder auf zu wenig Zeit bis zum Klären hin. Bei braunem Zucker gibt es zudem viele Abstufungen. Bei Bonbons wird zum Klären traditionell Stärkemehl verwendet.
Hallo und vielen Dank für den sehr guten Artikel. Ich bin etwas verunsichert, da im Artikel zum einen von ungelöschtem Kalk und zum anderen von gelöschtem Kalk die Rede ist. Welchen Kalk benötige ich nun für den Belgischen Brausirup.
Vielen Dank
Matze
Du kannst beides nehmen. Bei ungelöschtem Kalk CaO (auch Branntkalk, Ätzkalk, Calciumoxid) benötigt man nur etwas weniger als bei gelöschtem Kalk Ca(OH)₂ (Löschkalk, Calciumhydroxid). Faktor ist in etwa 0,8.
Branntkalk CaO ist allerdings stark exotherm und hygroskopisch. Ich verwende ihn heute nicht mehr. Ich empfehle Calciumhydroxid Ca(OH)₂. Englische Brauer nennen es auch Pickling Lime.
Den Kalk nicht direkt in die Zuckerlösung schütten, sondern vorher als Kalkmilch anlösen und dann den Überstand (das Weiße sinkt auf den Boden) dekantieren. Die dekantierte Lösung dann in den Zucker. Vorsicht: Handschuhe und Brille tragen – Kalkmilch ist eine starke Lauge!
Wichtig ist einen Topf mit hohem Rand zu nehmen. Es schäumt sehr stark. Ca(OH)₂ wirkt als Lauge, ist aber auch invertierend, nur nicht so stark wie Säure. Der Sirup neigt in einem alkalischen Milieu dazu stärker zu kristallisieren. Dagegen hilft in Maßen eine Glukosemischung (Traubenzucker) und am Ende einfach eine Verdünnung mit Wasser (Osmosewasser), wenn man Sirup wie ich in der Flasche bevorzugt.
Man kann auch Natriumhydroxid Na(OH)₂ nehmen, besser bekannt als Bäckerlauge. Ich werde das demnächst testen und darüber hier berichten.
Danke für die ausführliche Erläuterung. Verstehe ich das richtig, dass man besser anstelle des Haushaltzuckers lieber Traubenzucker nehmen sollte, wenn man es etwas flüssiger haben möchte?
Nein, das verstehst Du falsch. Traubenzucker (Glukose, Dextrose) hat die Eigenschaft Kristallisation der Zuckermoleküle zu verhindern. Man gibt 1-2 TL als Glukosesirup separat aufgekocht dazu. Zu viel würde den Geschmack verändern.
Rezept für Glukosesirup:
260 g Traubenzucker
150 ml Wasser destiliert oder abgekocht
Den Traubenzucker mit dem destiliertem oder abgekochtem Wasser aufkochen und kurz kochen lassen, in saubere Schraubflaschen füllen und sofort verschließen. Kühl und dunkel aufbewahren, am bestem im Kühlschrank.
Verwendung: Fondant, Blütenpaste, Marschmallow-Herstellung, Eis, Pralinen, Coktails, Kuchen………..
Glukosesirup anteilig im Sirup, verhindert ein Auskristallisieren von Zucker
Sollte man zwischendurch beim Kochen immer mal wieder abgekochtes Wasser hinzugeben, damit es nicht „klumpig“ wird?
Auf keinen Fall. Höchste Verbrennungsgefahr! Ab 115-120°C verpufft kaltes Wasser, es geht sofort in Dampf über. Im Klartext: Es explodiert. Die mechanische Bewegung durch den Temperaturunterschied führt außerdem zu einer erhöhten Schaumbildung.
Ich achte darauf, möglichst wenig einzugreifen, um Schaum zu vermeiden. Verdünnt wird dann nach dem Kochen, am besten mit Osmose- oder abgekochtem Wasser; die Kristalle lösen sich wieder auf.
Wenn ich es so mache, wie du es beschreibst, wird das ganze nach 10 Minuten kochen krümelig und trocken…hat nichts mit Sirup zu tun, was bei mir rumkommt…was mache ich falsch?
Du hast eine Zutat vergessen: Geduld. Langsam erhitzen, versuchen die Temperaturstufen zu halten. Also am Herd bleiben und permanent überwachen.
Was Du da beschreibst, liest sich, als sei da zu viel Hitze in zu kurzer Zeit aufgetreten. Du kannst versuchen mit mehr Wasser anzusetzen, dann verdoppeln sich die Kochzeiten, weil anfangs die Termpatur kaum aber 118°C hinauskommt. Ist der entsprechende Verdampfungsgrad erreicht, muss man allerdings stark aufpassen, da die Temperatur dann sprunghaft ansteigt. Ziel ist zunächst 125°C, diese hält man für 20 oder mehr min, dann für 20 bis 40 min bei 135°C die Maillard-Reaktion. Mit ein wenig Übung kommt die Erfahrung.
Edit: Ich mache noch einen Teil 5 für die Feinheiten der Candi-Herstellung und was die verschiedenen Temperaturstufen und deren Gerüche bedeuten.
Danke.
Farbe und Geschmack kommt schon gut hin…es riecht allerdings schlechter als es schmeckt…wenn ich etwas mit dem kalten Löffel entnehme, kristallisiert und erstarrt es direkt…würde jetzt Glukosesirup helfen?
Auch hier: Geduld. Der schlechte Geruch ist Ammoniak. Wenn es danach riecht, ist alles in Ordnung. Es bedeutet, das Phosphat in der Zuckermischung enthalten ist, den die Enzyme für den Prozess zum Sirup benötigen.
Der Geruch geht über in einen starken Brotgeruch, ähnlich Laugengebäck. Steht alles im Text, einfach noch mal lesen. Glukose kann man ab diesem Zeitpunkt hinzugeben. Kristallisieren wird es trotzdem, nur weniger. Einfach machen und ausprobieren.
Hallo,
ich möchte in den nächsten Monaten mal ein Duppel brauen. Dazu würde ich gerne Sirup verwenden.
Meine Frage, kann ich die 5g ungelöschten Kalk einfach durch Kaiser Natron ersetzen oder funktioniert das nicht?
Ich bin auch etwas verwirrt. Kurz vor dem Rezept hast du nocht etwas von gelöschten Kalk geschrieben, zur Rübenzucker herstellung. Kurz darauf im Rezept steht was von ungelöschten Kalk. Ist es egal ob nun Natron, gelöschter Kalk oder ungelöschter Kalk?
Viele Grüße,
Christian
Für ein Dubbel ist Sirup nahezu zwingend. Kalk – ob gelöscht oder ungelöscht – ist stark ätzend und nicht mit dem harmlosen Haushaltmittel Natron zu verwechseln. Ungelöschter Kalk (Branntkalk, Calciumoxid) hat die Formel CaO, gelöschter (Löschkalk) Ca(OH)₂. Gelöschter Kalk heißt auch Calciumhydroxid. Gelöschter Kalk ist ein Produkt von ungelöschtem Kalk; es hat ca. 80% der molaren Masse von Branntkalk, sprich man rechnet 20% dazu, also 2,2g.
Das Trieb- und Haushaltmittel Natron NaHCO₃, auch Backsoda, hat nichts bei der Zuckerherstellung zu suchen; es wird zwar zum Brauen verwendet, aber bei der Wasseraufbereitung, vorzugsweise zur Anhebung des pH bei dunklen Bieren. Natron wird immer verwechselt mit dem stark ätzenden Natriumhydroxid Na(OH)₂, besser bekannt als Bäckerlauge.
Wegen seiner exothermen Eigenschaften kann Branntkalk CaO problematisch sein. Gelöschten Kalk Calciumhydroxid ziehe ich vor. Wichtig ist die laugenbildende Reaktion. Deswegen kommt auch Bäckerlauge Natriumhydroxid als Alternative zum Kalk in Frage. Manche sagen, dass Na(OH)₂ besser handhabbar ist, da es weniger schäumt. Das wird in einem weiteren Teil er Zuckerreihe demnächst erläutert.
Eine gute, wenngleich teure Adresse, sind spezialisierte Händler für die Molekularküche wie Würzteufel auf Amazon. Da kann man sicher sein, dass man Lebensmittelqualität erhält.
Die Lagerung ist nicht unproblematisch, da die Hydroxide stark hygroskopisch sind und bei hoher Luftfeuchtigkeit unbrauchbar werden.
Aber Achtung: Setzt man Hydroxide wie Calciumhydroxid Wasser hinzu, entsteht eine starke Lauge. Handschuhe, Laborbrille und Schürze sind Pflicht. Auf Holz reagiert Bäckerlauge zudem in kürzester Zeit extrem hässlich. Am besten man werkelt damit entweder draußen oder auf einem metallenen Untergrund. Hat man die Lösung angesetzt, erhält man die sogenannte Kalkmilch. Ca(OH)₂ ist schwer löslich. Man rührt, wartet, bis sich die festen Bestandteile absetzen und dekantiert den Überstand mit einer Spritze. Der kommt dann in die Zuckerlösung; nicht die ganze Kalkmilch selber. Bäckerlauge ist ähnlich milchig. Unbedingt mit destilliertem Wasser arbeiten.
Mit wieviel ml sollte ich die Kalkmilch ansetzen?
Die 250ml beziehen sich ja denke ich mal auf die 1Kg Zucker die ich im Stiltopf vermische und koche.
Ich sollte morgen in Ruhe nochmal die ganzen Serie lesen, vielleicht hab ich auch was überlesen.
Die 250ml beziehen sich auf 1kg Zucker – richtig: Wasser, am besten destilliert. Du kannst aber auch mit 300ml oder mehr operieren, dann dauert es aber wesentlich länger, da die Temperatur erst über 108°C zu steigen beginnt, wenn eine gewisse Zuckerdichte durch Verdampfung erreicht ist. Der Nachteil dabei: Man wird unaufmerksam – und auf einmal schäumt alles über.
Ich nutze dafür ein kleines Schüsselchen mit 25ml. Das Calciumhydroxid ziehe ich mit einer Pipette oder Spritze auf, es geht aber auch ein Feinwaage mit einem Laborstäbchen. Dann gebe es in das Schüsselchen, rühre und sauge mit einer 10 oder 20ml Spritze auf. Das spritze ich dann in 10ml Reagenzgläser. Wenn sich die Kalkmilch klärt, ziehe ich den Überstand mit einer Spritze ab und gebe ihn vorsichtig in die Zuckermasse. Damit es nicht zu stark schäumt, sollte man mit Hefenährstoff sparsam umgehen. Schäumt es zu stark, kann man mit Glukosesirup nachhelfen – aber nicht zu viel.
Ich spritze vielleicht 10-15ml in einen Kochvorgang. Riecht es nach Ammoniak, passt alles. Wenn nicht, mehr Kalkmilch zugeben. Der beste Indikator ist die Nase
Ansonsten einfach ausprobieren. Bei dem Thema ist Erfahrung ein guter Begleiter. Wie gesagt, es folgt noch ein weitere Teil der Zuckerserie. Ich sehe an den Nachfragen, dass manches Detail erklärungsbedürftig ist und besser ausgeführt werden sollte. Das kostet aber auch immer Zeit.
Hallo Stubby Hobbs,
vielen Dank für die tolle Anleitung! Mein Dubbel mit selbstgemachten Sirup kam sehr gut an.
Ein Kommentar zur Verwendung von Natron (keine Kritik, nur meine persönliche Meinung): Entgegen deines Kommentars vom 15. April habe ich Natron anstelle von Kalk verwendet, was aus meiner Sicht genau so gut funktioniert hat. Ich habe die doppelte Menge an Natron im Vergleich zum Kalk verwendet. Hat gut funktioniert, warum auch nicht? Letztendlich geht es ja darum, den pH-Wert anzuheben, damit die Maillard-Reaktion funktioniert…
Schöne Grüße aus Thüringen
Gerne und immer wieder.
Zum Natron: Kann man machen, man muss aber bei bestimmten Wässern die Natrium-Konzentration im Auge behalten.Laut Wasserpapst Martin Brungard kann man Natron zum Anheben des pH einsetzen, sollte dann aber auf Säure verzichten. Bei einem dunklen Sud wie dem Dubbel ist das ohnehin nie ein Problem. Geschmacklich muss man aufpassen: Natrium macht das Bier salziger.
Grüße ins schöne Thüringen.
Hallo Stubbyhobbs,
super Seite mit tollen Ideen den Sirup einfach mal selber zu machen! Ich möchte gerne die Variante mit Kalk und Hefenahrung ausprobieren. Jetzt gibst Du ja hier in Teil 2 nur noch eine Kochzeit von ca. 30 Minuten an, um eine mittlere Farbe zu erreichen. Muss ich dann gar nicht mehr auf die Temperaturen achten, die Du in Teil 1 angegeben hast? Dort sind doch nur Temperaturen und keine Zeiten angegeben, das irritiert mich gerade etwas.
Viele Grüße
Frank
Hallo Frank,
das sind chemische Prozesse, deswegen wirkt sich Temperatur und Zeit in einem basischen Prozess anders aus. Während sich mit einer Säure wie Milchsäure der Farbumschlag konstant und gleichmäßig ergibt – abhängig von der gewählten Wassermenge und damit Temperatur (deswegen keine Zeitangaben) – reagiert DAP (Hefenährsalz, Ammoniumverbindung) und Calciumhyroxid, Ca(OH)₂ (Löschkalk), sofort mit einem Farbumschlag, der sofort das tiefste Schwarz ergibt. Normaler Kalk hingegen, CaCO₃ (kohlensaurer Kalk), bewirkt auch über die Zeit wenig Farbumschlag, der Sirup bleibt blass. (Löschkalk oder Branntkalk (CaO) ist dabei austauschbar.) Mit nur Löschkalk wirst Du hingegen nie eine so dunkle Farbe bekommen, wie mit Milchsäure. Es kommt also entscheidend darauf an, welchen Aktivator Du nutzt.
Die Zeit hängt dabei immer auch von Deiner Verdünnung mit Wasser ab. Ganz einfach, weil eine zu große Verdünnung die chemischen Prozesse verlangsamt. Umgekehrt gibt es einen Punkt, da ist so viel Wasser verdampft, dass sich die Temperatur schlagartig erhöht und damit der Farbumschlag schneller vonstatten geht.
Deswegen ist bei allen Zeitangaben eine viel sichere Bank: Die Sirupmasse und das Thermometer nicht aus den Augen lassen. Zeitangaben sind also nur mittlere Erfahrungswerte. Am besten ist es, man macht während des Zuckerkochens immer einen Test, tröpfelt etwas Masse auf ein Stück weißes Papier. Im silberfarbenen Löffel lässt sich die Farbe nämlich nicht zuverlässig beurteilen. Und dann ist da noch die Nase. Bei belgischem Brausirup riecht es mit einer Ammoniumverbindung wie einem Hefestarter anfangs nach Ammoniak. Das verflüchtigt sich riecht schnell und geht dann über in einen Geruch wie frische Corn Flakes.
Kurz: Es kommt darauf an, welchen Aktivator Du verwendest. Ich selber bevorzuge Hefenährsalz und Löschkalk. Ab 20 Minuten kommen zum Geruch Schokoladennoten hinzu, die mit der Zeit dunkler werden. Jetzt muss man noch aufpassen, dass die Masse nicht kristallisiert. Dazu gebe ich etwas Glukosesirup aus Traubenzucker hinzu. Wem Kandis gut genug ist, verzichtet darauf. Temperatur ist bei mir zwischen 110°C (Schwelle für Invertierung) und 126°C (Hard Ball). Damit bleibt er flüssig.
Und noch kürzer: Wenn es Dir vornehmlich um die Farbe geht, mache anfangs einen einfachen Brewers Invert wie in Teil 1 beschrieben. Geht es Dir um zusätzlichen Geschmack, der mit Malz nicht zu erreichen ist, ist die belgische Variante das Pralinés schlechthin.
Ich sehe, ich muss noch einen weiteren Teil schreiben zur unterschiedlichen Farbentwicklung, Temperatur und Zeit. Wenn man es mal aufgedröselt hat, ist es gar nicht so schwer.
Jetzt aber einfach mal machen. Leckerer Sirup wird’s immer.
Viele Grüße
Stubby
Ok, so langsam verstehe ich die Zusammenhänge. Habe auch vorhin den alten Thread im Forum gefunden. Das ist auch sehr hilfreich, wenn man die ganze Entwicklung dahinter verstehen will. Dann werde ich das mal testen. Mir geht es nur um den Geschmack, die Farbe ist mir relativ egal. Mit Special B habe ich in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen gemacht. Jetzt in einem Belgischen Bier bin ich sehr gespannt, wie das dann mit dem Sirup schmeckt! Vielen Dank soweit!
Viele Grüße
Frank
Vollkommen richtiger Ansatz. Bei den meisten Bieren mit Brausirup versendet sich die Farbe ohnehin, mit Ausnahme Brewer’s Invert No.4 und molassehaltige Sirups.
Bei den alten Threads musst Du ein wenig aufpassen – da wird oft kein Unterschied zwischen englischer und belgischer Variante gemacht. Das war für mich eigentlich der Grund, mich mit dem Thema näher zu beschäftigen. Auch weil ich den überteuerten Tütchen von Candi Syrup eine lange Nase drehen wollte.
Geschmacklich habe ich damals auch bei Special B wegen der Brotaromen angesetzt. Sirup hat den Vorteil deutlich komplexer zu sein; Pflaumenaromen, russisch Brot oder gar Lakritz bekommst Du mit Special B nicht hin. (Bei Rosine kann man diskutieren.) Ich kombiniere aber Special B und Sirup sehr gerne, weil der Schüttungsanteil von Special B begrenzt ist, bei zu viel Sirup das Bier aber droht wässrig zu werden. Schau mal unter Sude, wenn Du noch Inspiration brauchst.
Viele Grüße,
Stubby
Das hatte ich auch so aus Deinem Artikel mitgenommen, dass zu viel Sirup das Bier eher trocken und leer macht. Ich habe erst einmal mit gekauftem Sirup experimentiert und kann mich erinnern, dass das Bier eher leer daher kam. Ich dachte jetzt so an 15% Sirup, also 1,2kg bei 8kg Malz (7kg Pilsener, 0,5kg Special B, 0,5kg Cara). Ist das schon zu viel Sirup? Deine Sude schaue ich mal an!
Viele Grüße
Frank
Was für ein Bierstil ist es? Wieviel Stammwürze? Zur Orientierung: Bei meinem Lieblings-IPA mit 17°P sind es 7,5%.
Ich würde bei 90% Pilsener, also einem hellen Bier mit viel vergärbaren Zuckern, niedriger einsteigen. 5-8% sollten reichen.
Bei einem starken Saison nehme ich 12%, das hat aber auch über 8% alc.Vol. unter der Haube und soll trotzdem leicht schmecken. 15% mache ich nur bei einem einzigen Bier, einem Russian Imperial Stout mit viel englischen Spezialmalzen und 24°P; dort mildert der Sirup die Wuchigkeit und damit Mastigkeit der Malznote wegen vieler unvergärbarer Zucker hin zu mehr Drinkability ab.
Viele Grüße
Stubby
Es soll ein Belgisches Bier Richtung Quadrupel werden, ohne den Anspruch zu haben den Stil exakt zu treffen. Belgische Hefe, Christian hat mir zur WLP530 geraten. Stammwürze über 20°P. Und eben der Sirup. Frage, wann gebe ich den am besten dazu? Direkt zur Hauptgärung? Gelesen habe ich auch schon, das evtl. am Ende der Hauptgärung besser sein soll. Was denkst Du?
Gruß Frank
Die WLP530 ist eine ausgezeichnete Wahl! Mit 20°P bist Du auch stilecht unterwegs. Und auch die Spezialmalze passen. Amber Malt wäre noch ein Tipp.
Zur Sirupgabe: Ich möchte immer sicher sein, dass ich mein Rezept treffe. Ich gebe den Sirup deswegen bei Flame Out oder 5 min vorher dazu. Man kann aber die Gabe auch nach der Hauptgärung machen. Das kannst Du im Grunde halten wie Du willst. Der Hauptgrund, warum ich das ungern nach der Hauptgärung mache, ist Oxidation/Lufteintrag und Infektionsvermeidung. Gerade bei hellen Bieren.
Für eine Gabe nach Hauptgärung spricht weniger Hefestress.
Wenn Du aber mal genau auf Deine Hefe schaust, ist an einer späten Gabe nicht so viel dran. Sirup wird ungefähr 1°P eintragen. Außerdem ist die WLP530 sehr robust, das ist der d’Achouffe-Stamm, der hält locker 12% ABV aus. Die Frage von Hefestress stellt sich eher bei Nicht-Supervergärern.
Also ich glaube, da ist die Entscheidung einfach :-)
Quadrupel ist ein Königsbier. Rezept würde mich interessieren. Gut Sud!
Grüße
Stubby
Guter Tipp! Dann würde ich den Sirup auch einfach 5 Minuten mitkochen. Das vermeidet den Gärbehälter während der Gärung nochmal aufmachen zu müssen. Ich hatte erst gedacht, dass dann eine 2. Hefegabe zusammen mit dem Sirup sinnvoll sei, aber meistens ist das Einfache ja eh das Beste. Rezeptmäßig würde ich folgendermaßen vorgehen (dann ist auch mit dem Alkoholgehalt noch Luft nach oben für eine Eisbockvariante…):
Pilsener 7,0kg (75%)
Special B 0,5kg (5,3%)
Caraaroma 0,5kg (5,3%)
Caraamber 0,5kg (5,3%)
Sirup 0,85kg (9,1%)
Maischen 65°C 75 Minuten
Kochen 90 Minuten (mit Dampfkondensator)
Hopfen ? auf ca. 30IBU
Hefe WLP530, 2 Liter (?) Starter, Gärtemperatur 20°C
Damit sollte ich dann auch den Stil ganz gut treffen. Stammwürze 22,7°P, Alkohol 10,1%, Bittere 30IBU. Je nach Cara (und Sirup) wird das dann nur relativ dunkel werden.
Viele Grüße
Frank
Vielen Dank für diese tollen Beiträge. Ich würde mich auch gerne mal an einem belgischen Sirup versuchen.
Mir ist aber immer noch nicht ganz klar, wann die Lauge hinzugefügt wird.
Aus obigem Kommentar habe ich es so verstanden:
„Ist der entsprechende Verdampfungsgrad erreicht, muss man allerdings stark aufpassen, da die Temperatur dann sprunghaft ansteigt. Ziel ist zunächst 125°C, diese hält man für 20 oder mehr min, dann für 20 bis 40 min bei 135°C die Maillard-Reaktion.“
Das man erst bei 135 °C die Lauge für die Maiilard-Reaktion hinzu gibt, dann diese Temperatur hält, bis zur gewünschten Farb- und Aroma-Stufe.
Ist das korrekt und nimmt man bei gewünschter Farb- und Aroma-Stufe die Mischung von der Hitze oder wird immer bis 149-150 °C weiter erhitzt, dann wird doch immer die dunkelste Stufe, kurz vor verbrennen erreicht, oder?
Viele Grüße
Bernd
Hallo Bernd,
im Gegensatz zur englischen Version mit Säure schäumt die belgische mit Lauge sehr stark. Man muss natürlich die Lauge als Katalysator schon vorher dazugeben, um die Prozesse anzustoßen. Früher ist aus verschiedenen Gründen besser. Zum einen schäumt es nicht so stark, zum anderen kann man den Prozess besser steuern. Allgemein gibt man die Lauge im Temperaturbereich 100 – 110 °C hinzu oder geht wie ich nach dem Auge: wenn das Zucker-Wasser-Gemisch vollkommen klar geworden ist und leichte Luftbläschen aufsteigen, dann 5 Minuten warten. Wenn es dann schäumt und überzukochen droht, kann man sofort die Temperatur senken. Bei Lauge immer dabei bleiben.
Danke für die schnelle Rückmeldung :-)
Also werden Lauge und Hefenährstoff bereits kurz hintereinander zugegeben, Hefenährstoff ja direkt nach Klärung der Zucker-Wasser Lösung, wenn ich es richtig gelesen habe und die Lauge dann ~5 Minuten danach (und hier greift dann vermutlich nach einigen Versuchen die Erfahrung).
Die oben beschriebenen „Rasten“ gelten dann aber weiterhin?
20 Minuten oder mehr bei 125 °C und 20 – 40 Minuten bei 135 °C
Auf welche Art senkst du denn die Temperatur? Durch wegnehmen von der Hitzequelle oder auf andere Weise?
Und eine Frage zum Verdünnen für den Sirup fällt mir noch ein, ist hier destilliertes Wasser aus der Drogerie geeignet oder nimmt man lieber abgekochtes Wasser, eine Umkehrosmoseanlage liegt mir nicht vor.
Entschuldige die vielen Fragen, aber der Teufel steckt wie immer im Detail und der erste Versuch wurde sehr schnell sehr dunkel ohne die 125°C zu erreichen und ohne zwischenzeitlich ins rötliche zu tendieren. Als es anfing leicht nach verbranntem Zucker zu riechen hab ich das Kochen beendet und die Masse in eine Silikonform gegossen. Sie ist komplett ausgehärtet, wobei ich dachte es bleibt eine zähe Masse wenn die ~150°C nicht erreicht werden aber dem war nicht so. Die Zuckerstücke sind colabraun – schwarz schmecken und riechen aber nicht verbrannt, allerdings hatte ich mir den Ablauf anders vorgestellt.
Viele Grüße
Bernd
Der Hefenährstoff ist der eigentliche Katalysator, der aber vom pH-Wert abhängig ist.
Die Rasten sind Erfahrungswerte, aber keine gesicherten Erkenntnisse. Sie hängen von vielen Faktoren wie dem Mischungsverhältnis und sogar dem Zeitfaktor der Temperaturerhöhung ab. Dabei verläuft die Temepraturkurve nicht konstant, sondern als Kurve. Ist vermutlich eine logarithmische, ich bin aber kein Mathematiker.
Die Temperatur senkst Du einfach durch den Regler am Herd. Ich habe in der kritischen Phase immer die Hand am Regler und kann so auf ein Wegziehen des Topfes verzichten; denn dabei schwappt oft etwas über und verklebt den ganzen Herd.
Zum Verdünnen: Richtig gedacht – destilliertes Wasser. Gibt es im Baumarkt. Ansonsten 2x im Wasserkocher abkochen, dabei 20 Minuten absetzen lassen und den Überstand dekantieren.
Dass der erste Versuch komplett dunkel wird, höre ich zum ersten Mal. Das klingt für mich nach einem defekten Thermometer, zu wenig Wasser bzw. einer zu späten Gabe der Lauge, bzw. einer komplett falschen Lauge, die keine Lauge ist oder die hinüber ist. Gegen das Aushärten hilft die Gabe von Glukose – aufgekochter Traubenzucker – zu einem späteren Zeitpunkt.
Die Maillard-Prozesse spielen sich ab 138 °C bis etwa 160 °C ab. Zucker karamellisiert ab 140 °C. Beide Prozesse verlaufen parallel. Katalysatoren verürzen die Zeit, senken die Temperaturgrenze und bewirken noch einige Prozesse mehr. Was Du hier beschreibst ist eine Karamellisierung. Zucker bei 150 °C bewirkt einen Hard Crack. Auf meinem amerikanischen Thermometer steht 148 °C. Das war der Fehler. Dass der Zucker bereits unter 125 °C dunkel wird, kann nicht sein.
Aus der Ferne kann ich nur rätseln, habe aber Dein Setting im Verdacht. Ich würde raten, ein anderes Thermometer zu benutzen.
Und nochmals danke, mit den ganzen Infos werde ich einen weiteren Versuch starten.
Als Lauge hatte ich CalciumHydroxid (neue Lieferung vom Würzteufel) verwendet, hier, wie beschrieben, der dekantierte Überstand aber vermutlich viel zu spät hinzugefügt.
Ich habe, denke ich, auch zu viel gerührt und der Zucker ist etwas auskristallisiert. So wäre es schon möglich, dass die Temperatur nicht mehr korrekt angezeigt wurde.
Hilft gegen das Aushärten/Auskristallisieren nur reine Glukose oder kann man hier auch mit Fructose (z.B. Agavendicksaft oder Honig) arbeiten?
Die meisten Traubenzuckerpäckchen die es zu kaufen gibt, haben noch Vitamine zugesetzt. Da hierzu auch Ascorbinsäure zählt, wäre die Verwendung in diesem Fall vermutlich kontraproduktiv. Wobei es aufgrund der geringen Menge vielleicht auch hier auf einen Versuch ankommt.
Viele Grüße
Bernd
Der Teufel steckt in der Tat im Detail: Das Naheliegendste hast Du und ich übersehen, denn es erklärt alles: Nein, nicht rühren, Bernd. Gar nicht rühren!! Nie rühren!! Du rührst vielleicht am Anfang beim Auflösen von Zucker mit Wasser, dann nie mehr. Durch das Rühren kristallisiert der Zucker. Denn die Zuckerkristalle verkleben dadurch und statt des samtigen Karamells bekommst du sandige Klumpen. Das erklärt auch den Kandis am Schluss.
Rühren ist der Grundfehler schlechthin. Eine Zutat, die ich nicht aufführe, heißt Geduld.
Glukose selber machen. Wie Du richtig bemerkst, ist Ascorbinsäure kontraproduktiv, es ist eine Säure, die den Prozess stoppt. Einfach nach „Glukose selber machen“ googeln.
Viel Erfolg wünscht
Stubby Hobbs
In Ergänzung: Auf vielen Kochseiten steht, dass man Zucker mit Rühren karamellisiert. Das ist grundfalsch. Cremiges Karamell entsteht durch Geduld ohne jedwede Traktion – lernt jeder Koch in der Lehre.
Der zweite Versuch führte zu einem tiefroten – colafarbenen Sirup in der Flasche :-D
Der Vorgang verlief aber auch nicht ohne Stolperfallen.
Mit der Temperatur war ich vermutlich zu vorsichtig, so dass es doch deutlich länger dauerte als gedacht.
Wenn das Ergebnis stimmt, finde ich das aber auch nicht so schlimm.
Für die nächsten Versuche werde ich auf jeden Fall ein echtes Zuckerthermometer und Glukose(sirup) organisieren.
Der entscheidende Hinweis war sicherlich die frühe Zugabe der Katalysatoren, hier hatte ich diesmal Hirschhornsalz statt dem Hefenährstoff verwendet.
Vielen vielen Dank für die schnelle Hilfe und die wichtigen Hinweise, hoffentlich hilft es auch anderen bei den ersten Versuchen.
Das Ergebnis hat mich auf jeden Fall begeistert und so wird dies sicherlich nicht das letzte Experiment mit dem „fünften Element“ gewesen sein :-).
Viele Grüße
Bernd
Hallo Bernd,
der entscheidende Hinweis waren sicher nicht die Katalysatoren, sondern die Basics, die man leider bei dem Thema schnell überspringt, weil sie nicht so exotisch und kompliziert chemisch klingen wie die anderen Faktoren: Nicht Rühren und ein gescheites Zuckerthermometer.
Stubby Hobbs und Jannes der Braukater, der hier neben dem Braukessel schnarcht, sagen mal danke für Deinen Input, ich werde meinen Text dahingehend nachschärfen!
Es würde mich und die anderen Leser sicher freuen, wenn wir eine Erfolgsmeldung von Dir hören können. Du siehst ja an den anderen Meldungen, dass es, wenn es klappt, der absolute Burner fürs Bier ist. Also – ran ans neue Thermometer :)
Grüße von den Braukatern!