Belgischer Zauber

Rös­taromen unlim­it­ed: Kan­dis­sirup selb­st gemacht – Teil 2
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Topf

K​ommt beim Brauen Zuck­er ins Spiel, schei­den sich die Geis­ter. Nach dem überkomme­nen Deutschen Rein­heits­ge­bot, kurz RHG, ist Zuck­er ver­boten. Nach dem vor­läu­fi­gen Bier­s­teuerge­setz von 1993 und der Bierverord­nung von 2005 dür­fen invertierte Zuck­er sowie solche aus Zuck­er­rohr und Zuck­er­rübe für obergärige Biere ver­wen­det wer­den; davon ausgenom­men ist Milch- und Maiszuck­er. Unter mas­sivem Lob­byein­satz sper­rt sich vor allem Bay­ern und Baden-Würt­tem­berg bish­er bei untergäri­gen Bieren. Lib­eraler geht es im Nor­den von Deutsch­land sowie in Öster­re­ich und der Schweiz zu. Stub­by hält auch vom Pseu­do-Natür­lichkeits­ge­bot manch­er Craft-Brauer nichts. Das lässt behan­deltes Sauer­malz zu, aber Milch­säure zur Wasser­auf­bere­itung und Zuck­er nicht. Offen gesagt ist es die fränkische Bio-Ver­sion 2 des RHG. Stub­by ist das big­otte Lob­by­is­tenge­plärre der Brauin­dus­trie zu offen­sichtlich, das Hopfenex­trakt und chemis­che Klärung hin­ter einem Gesetz der Rein­heit ver­steckt wie auch manch­es Bio-Geblub­ber, das andere Brautra­di­tio­nen nicht ehrt. Stub­by sagt: Zuck­er ist seit Urzeit­en eine Geschmack­skom­po­nente und gut ist.

Dem einen Craft-Brauern reicht nor­maler Haushalt­szuck­er, andere schüt­ten edel­ste Kristalle aus Mada­gaskar, handgepflückt und Ober-Bio in ihren Sud. Die einen hal­ten das alles für Kokolores, die anderen lieben dieses Chichi mit einem Hauch von Haute Cou­ture. Der Stre­it, ob das raus­ge­wor­fenes Geld sei, ist so alt wie das Home-Brew­ing selb­st, seit das in den Achtzigern in den USA vom Jim­my Carter, einem Erd­nuss­farmer, legal­isiert wurde. Ver­ste­ht sich, Stub­by ist ein überzeugter RHG-Ver­brech­er!

Statusdenken

Find­i­ge Händler haben den Trend natür­lich längst erkan­nt und sind mit High-End-Zuck­ern auf den süßen Zug aufge­sprun­gen. Doch nicht immer wird aus einem Sack Mais­flock­en, gedacht als Nahrungsergänzung im Stall, mal eben schnell eine in kleinen Char­gen umver­pack­te Brauzu­tat gemacht. Zuck­er ist mal eben mehr als ein paar Flöck­li. Denn manch­mal macht dieses ganze Zuck­er-Brim­bo­ri­um wirk­lich Sinn. Und der ergibt sich allein aus Zeit. Stub­by sagt’s frei her­aus: Wer’s bequem haben möchte, muss dafür zahlen. Wer bei guten Sirups allerd­ings Zeit mit­bringt, darf das Muss mal eben in Frage stellen. Deswe­gen schreibt Stub­by hier darüber, über diese ganze Zuck­erk­manie und behauptet: Selb­st­gemacht ist vielfältiger und bess­er.

Sta­tus ist auch längst im Hob­by­brauer­bere­ich eine Marke: Daim­ler oder Dacia, ssBrewTech oder Plas­tikeimer – was willst du gegen meinen Mus­co­v­a­do anstinken? Als Stub­by mit Zuck­er anf­ing, dachte er brust­stolzgeschwellt nim­mer daran einem Mar­ket­ing-Trick aufge­sessen zu sein. Er hat­te sich für seinen ersten hellen Bel­gi­er diesen Sirup aus den Staat­en gekauft. Can­di Syrup heißt das Zeug, mit einem ganz beson­deren “i”, ganz toller Web­site, mit ganz ganz vie­len Rezepten und ganz ganz viel beson­ders teuer. Dann tröpfel­ten 487 Gramm von diesem Etwas ins Jung­bier, der Zeigefin­ger kon­nte es nicht lassen zu naschen: Ganz nor­maler Zuck­er, feucht, weiß, klumpig, kaum aus der Tüte zu bekom­men. In der dun­klen Vari­ante hätte die Zutat wegen der Aromen vielle­icht noch Sinn gemacht, aber für ein geschmack­los­es Etwas hochgerech­net 25 Euro­nen aufs Kilo­gramm? Was man nicht alles für sein Bier tut.

Einfache Rezeptur

Nun lässt sich niemand gerne ver­hohnepie­peln, vor allem nicht die schwäbis­che Haus­frau. Nicht von hohlen Werbe­sprüchen, die mit neuer Rezep­tur kalauern und mit weniger Inhalt daherkom­men. Und über­haupt… Baus­par­er machen selb­st. Die Rezep­tur ist näm­lich ein­fach:

Zuck­er + Lauge + Pro­tein + Hitze = Kan­dis­sirup.

Das ist die Kurz­fas­sung. Wer ver­ste­hen will warum, muss tiefer ein­tauchen. Das erk­lärt dann auch, warum hier keine Säure, son­dern Lauge ver­wen­det wird.

Das Prob­lem mit selb­st­gemacht­en Kan­dis­sirup sind nicht die Für­sprech­er der US-Marke Can­di Syrup, die ihren kost­spieli­gen Irrtum, psy­chol­o­gisch ver­ständlich, recht­fer­ti­gen, indem sie behaupten, das Zeug sei unver­wech­sel­bar. Das stimmt zumin­d­est dahinge­hend, als der Preis wirk­lich ein­ma­lig ist. Das Prob­lem beim Sel­ber­ma­chen ist vielmehr das Kaud­er­welsch chemis­ch­er Kraftaus­drücke, das dem Nicht-Chemik­er unter den Sel­ber­ma­ch­ern sig­nal­isiert: “Unwis­sender, keine Messer­spitze weit­er oder dich ver­schlingt eine gelb-rote Gift­gas­wolke.” Dann kom­men solch furcht­bare Abkürzun­gen wie DAP als Bestandteil des Pro­teins, dann kommt nach ein­er gefühlten Ewigkeit die Über­set­zung von DAP – Diammo­ni­umphos­phat. Und dem inzwis­chen klein geschrumpften Hob­by­brauer schwant: “Noch so eine Tret­mine.”

Hirschhornsalz

Dabei ist es ganz ein­fach: Die Mail­lard-Reak­tion, also das leckere Bro­taro­ma, braucht eine Ammon­inumquelle und die liefert immer ein Pro­tein, par­don: Eiweiß. Vere­in­facht gesagt ist Ammo­ni­um eine Stick­stof­fquelle. Pflanzen und ihre Pro­duk­te ver­ste­hen sich damit prächtig. Das Ammo­ni­um kann nun eben ein Hefenährstoff wie DAP sein, den es im Wein­han­del oder in größeren Braushops gibt oder das altehrwürdi­ge Hirschhorn­salz. Auch noch nie gehört? Nein, dabei han­delt es sich nicht um Über­reste der Jagd­sai­son, son­dern um eine Grundzu­tat für Nürn­berg­er Lebkuchen, die in jedem Gewürzre­gal als Back­trieb­mit­tel im Super­markt erhältlich ist. Schön, dass Stub­by das gek­lärt hat. Soll er noch tiefer wühlen?

Wichtig zu unter­schei­den (so ganz all­ge­mein):

  1. Invertzucker/Brewers Invert wird mit Säure gemacht. Die helle Vari­ante trägt keine Aromen ein und macht das Bier trock­en­er. Die dun­kle Vari­ante trägt Karamel­laromen ein. Mit höher­er Tem­per­atur oder län­ger­er Zeit nimmt die Fär­bung zu. Brew­ers Invert ist geeignet für bel­gis­che, englis­che und amerikanis­che Bier­stile, speziell bel­gis­ches Sai­son und Tripel. Teil1
  2. Kandissirup/Candi Syrup wird mit Lauge oder Kalk gemacht. Ziel ist eine forcierte Mail­lard-Reak­tion durch Tem­per­atur + Zuck­er + Pro­tein. Ein hoher pH-Wert von 9 – 11 und eine zusät­zliche Ammo­ni­umquelle wie DAP oder Hirschhorn­salz begün­sti­gen diese. Der Unter­schied ist ein stärk­er­er Eigengeschmack mit Rös­taromen wie gemahlen­er Kaf­fee, dun­kles Steinob­st und geröstetes Brot. Er ist geeignet für dun­kle bel­gis­che Bier­stile wie Dubbel, Quadru­pel. ⇒ Teil 2
  3. Molassesirup/Blackstrap wird als Blend aus Invertzuck­er und Molasse gemacht. Molasse trägt dabei einzi­gar­tige Aromen wie Lakritz ein. Durch die starke Fär­bung wird die Zeit zur Her­stel­lung sowohl von englis­chem Brew­ers Invert als auch bel­gis­chem Can­dy Syrup deut­lich verkürzt. Molassesirup ist geeignet für viele dun­kle Bier­stile. ⇒ Teil 3

Karamel­lisierung und Mail­lard-Reak­tio­nen sind der Grund dafür, dass die dun­klen bel­gis­chen Bon­bon­sirups so gut schmeck­en. Bei­de Prozesse laufen par­al­lel ab. Die Kun­st beste­ht darin die einzel­nen Kom­po­nen­ten zu beto­nen.

Die Karamel­lisierung ist eine Art Pyrol­yse, also eine ther­misch-chemis­che Zer­set­zung. Im Wesentlichen han­delt es sich dabei um eine Kar­bon­isierung des Zuck­ers, die, wenn man zu weit geht, zum charak­ter­is­tis­chen Geschmack von ver­bran­ntem Zuck­er führt. Wenn die Karamel­lisierung indes kon­trol­liert und richtig durchge­führt wird, führt sie im Wesentlichen nur zur Farb­bil­dung – wenn sie nicht zu weit geht. In Teil 1 „Alles auf Zuck­er“ – sind die Tem­per­aturschritte aus­führlich erk­lärt.

Backstube und Kaffeeduft

Den geschmack­lichen Löwenan­teil im Kan­dis­sirup bew­erk­stel­ligt die Mail­lard-Reak­tion. Genauer ist ihr Geschmack Ergeb­nis ein­er Reak­tion der Aminosäuren mit reduzieren­den Zuck­ern über Zwis­chen­schritte und Umlagerun­gen, an deren Ende Melanoi­dine gebildet wer­den. Diese aro­ma­tis­chen Dinger entste­hen als Neben­pro­dukt bei der Bräu­nungsreak­tion, egal ob in Kaf­fee, Brot oder Malz, egal ob Back­stube, oder Kaf­feerösterei. Es sind diese Melanoi­dine auf der Zunge, in der Nase, die beim Men­schlein Glücks­ge­füh­le von Frische und Fernse­hwer­bung aus­lösen. Ist die Aktion gelun­gen, sagt man sich, so soll der Bon­bon­sirup fürs Bier sein. Ein­fach leck­er.

Um diese Melanoi­dine also geht es bei der Her­stel­lung des hau­seige­nen Kan­dis­zuck­ers bel­gis­ch­er Art. Damit diese Melanoi­dine gebildet wer­den kön­nen, braucht es einen san­ften Stupser aus der Hex­enküche. Im Grunde kann das jedes beliebige Hefenährsalz sein, wie es in jedem Drogerieladen und Reformhaus erhältlich ist, vorneweg erwäh­ntes Back­trieb­mit­tel Hirschhorn­salz oder eben DAP, wie es bei der Weingärung einge­set­zt wird. DAP gle­ich Diammo­ni­umphos­phat ist nicht der läng­ste Name; bei überzeu­gungstäti­gen Chemik­ern ist der wis­senschaftliche Name noch grot­tiger.

Ein saures Missverständnis

Der Grund für Hefenährstoff im hau­seige­nen Brauzuck­er ist, dass nor­maler Tafelzuck­er, auch wenn aus Rüben­zuck­er gemacht, keine der notwendi­gen Aminosäuren zur Bil­dung der Melanoi­dine enthält. Man peppt mit Hefenährstof­fen also die lim­i­tierte Geschmacksvielfalt von Haushalt­szuck­er auf. Lei­der spielt dabei die Art der Aminosäure eine große Rolle. Unter­schiedliche Aminosäuren führen zu unter­schiedlichen Geschmack­srich­tun­gen.

Ein echter Zuck­er­rüben­sirup vom Feld wird eine kom­plexere Mis­chung von Aminosäuren wie Glu­t­a­min, Lysine, Theonin oder Serin haben, die schw­er­lich nachzu­bilden ist. Dies wird die Geschmacksmöglichkeit­en des heimis­chen Sirups anfangs etwas ein­schränken. Mit zunehmender Erfahrung spricht aber nichts dage­gen mehrere Aminosäure­quellen zu kom­binieren oder gar unraf­finierte Zutat­en wie eben Rüben­sirup, Rohrohrzuck­er oder Molasse zusät­zlich einzuset­zen.

Stub­by muss an dieser Stelle mit einem Missver­ständ­nis aufräu­men, das Kan­dis­sirup immer mit Invertzuck­er ver­wech­selt oder zumin­d­est gle­ich­set­zt: Tra­di­tionell wird echter bel­gis­ch­er Kan­dis­sirup aus Rüben­zuck­er gemacht. Bei der Her­stel­lung von eben diesem Rüben­sirup ver­mei­det man um jeden Preis, dass sich Invertzuck­er bilden. Rüben­zuck­er ist also ideen­lei­t­end, bekan­ntlich führen aber viele Wege nach Rom. OK? Machen wir ein wenig in Dialek­tik und ver­suchen es mit einem Syl­lo­gis­mus — dann ist’s ein­fach­er:

  1. Invert­sirup benötigt Säure für die Invertierung
  2. Rüben­zuck­er als Grund­lage von Kan­dis­sirup ver­mei­det Invertierung
  3. Kan­dis­sirup ist daher nicht gle­ich Invertzuck­er, weil er keine Säure benötigt

Damit ist ein Grund exam­iniert, warum Stub­by Säure in der obi­gen Formel Säure unter­schla­gen hat, wo doch viele Rezepte Säure in einem Atemzug mit Kan­dis­sirup nen­nen. Wie in Teil 1 beim Invertzuck­er beschrieben, braucht es bei der Invertierung eine acide Sub­stanz, um die Spal­tung der Sac­cha­rose in Glu­cose und Fruc­tose zu unter­stützen. Gut, das mag schneller und voll­ständi­ger sein, aber Sac­cha­rose selb­st kann als schwache Säure wirken. Hitze reicht. Im schlimm­sten Fall kann Säure Kan­dis­sirup tat­säch­lich schaden.

Nicht falsch ver­ste­hen, Säure ist kein No-Go, meist aber hat mit Säure gemachter Brausirup wenig mit einem bel­gis­chen Kan­dis­sirup zu tun. Es ist ein­fach etwas anderes.

Rübenzucker imitieren

Stub­by erspart sich an dieser Stelle die kom­plizierten chemis­chen Vorgänge, die selb­st Zuck­er­forsch­er ihr ganzes Beruf­sleben nicht vol­lum­fänglich ver­ste­hen.

Bei der Her­stel­lung von Rüben­zuck­er jeden­falls fügt man gelöscht­en Kalk hinzu, auch bekan­nt als Cal­ci­umhy­drox­id oder Ca(OH)₂. Auf diese Weise wer­den Nichtzuck­er­stoffe ent­fer­nt. Das hat den schö­nen Effekt, dass der Sirup nicht auskristallisiert. Löschkalk ken­nen Brauer, die mit sehr kalkhaltigem Wass­er gebenedeit sind.

Die Bewohn­er der Schwäbis­chen Alb haben dafür ein beson­ders großes Vok­ab­u­lar an Flüchen kul­tiviert. Bevor alle Alb-Brauereien in den 1980ern von den Neckartälern aus Stuttgart aufgekauft wur­den, war die örtliche Plörre von der Alb eine Mut­probe wie Höh­len­tauchen im Blau­topf.

Zuckerkochen

Wohlan: Große Braushops führen diesen ungelöscht­en Kalk. Das Zeug fällt den Kalk in der Wasser­vor­be­hand­lung aus. Nicht anders ist das beim Sirup. Selb­st nach Aus­fäl­lung ist der pH-Wert mit 9 bis 11 immer noch ziem­lich hoch. Aber genau diesen hohen pH-Wert will man als Sirup­kocher haben. Mr. pH hil­ft näm­lich ver­bran­nte Zuck­er­aromen zu ver­mei­den, selb­st wenn die Masse sehr dunkel ist.

Kalk löst sich schlecht in Wass­er und trübt den Sirup später ein. Deswe­gen emp­fiehlt es sich vor­ab Wass­er mit dem Löschkalk kurz aufzukochen. Auf die Mis­chung kommt es also an – die erste geht so:

Kan­dis­zuck­er mit Kalk und Hefe­nahrung:
1kg Haushaltzuck­er
250 ml abgekocht­es Wass­er oder Osmose­wass­er
5 g gelöschter Kalk + 10 g Hefe­nahrung

Die zweite Mis­chung ist etwas exper­i­menteller. Sie greift Teil 3 vor:

Kan­dis­zuck­er mit Kalk und Hefe­nahrung:
1kg Haushaltzuck­er
250 ml abgekocht­es Wass­er oder Osmose­wass­er
5 g gelöschter Kalk + 10 g Hefe­nahrung + 10g Molassesirup

Bis auf den Kalk kann man alle Zutat­en skalieren. Bei Kalk selb­st ist Vor­sicht ange­bracht. Er hat seine Tück­en und ver­hält sich nicht lin­ear. Zuviel davon und der Sirup schmeckt nach Medi­zin und man kann ihn wegschüt­ten.

Die einzel­nen Schritte gestal­ten sich ein­fach, schwieriger ist die Beurteilung, um Ent­täuschun­gen zu ver­mei­den:

  1. Ein hoher Stil­topf ist erforder­lich. Kalk hat ein über­schäu­mendes Naturell.
  2. Die Mis­chung wird auf hoher Stufe erhitzt, bis sie kocht. Dabei sind die Zeit­en in der Tabelle zu beacht­en.
  3. Wird die Mis­chung zu heiß, wird sie schau­miger und kocht schnell über. Kleine Men­gen Wass­er ver­hin­dern das Anbren­nen. Aber: Das schau­mige Sta­di­um macht die Mis­chung dun­kler und fördert das Aro­ma. Aus­pro­bieren.
  4. Es hil­ft hin und wieder kleine Proben ent­nehmen, um die Aro­maen­twick­lung zu beurteilen.

Bei Siede­be­ginn sollte es nach Ammo­ni­ak riechen. Tut es das nicht, wurde zu wenig Hefenährstoff ver­wen­det. Wenn dem so ist, ein­fach zusät­zlichen Hefenährstoff vor­sichtig zugeben, nicht rühren! Durch die Hitze rührt sich das Wass­er von selb­st und die Zuck­er­moleküle wer­den geschont. Wenn es ab 5 Minuten nach Kirschen und Schoko­lade riecht und nach 15 Minuten zusät­zlich nach Man­deln, hat man alles richtig gemacht.

Aromenentwicklung bei Zuckermischung mit Lauge
Zeit 20 min 30 min 40 min
Schokolade, ein Hauch Kaffee • Kalk + Hefenährstoffbernstein
Toffee, Schokolade, Crème- Brûlée-Karamell • braun
Toffee, dunkle Früchte, Karamell (nicht beißend/bitter) • schwarz
Kalk + Hefenährstoff + Molasse
Schokolade, starkes Karamell und Toffee, leicht buttrig • braun
Toffee, Anklänge dunkler Früchte und Schokolade, leicht buttrig • schwarz
Überwiegend Toffee, Anklänge dunkler Früchte und Schokolade, leicht buttrig • schwarz

Viele Zuck­erkocher schwören auf Säure. Sie ziehen Lauge nicht in Erwä­gung und brin­gen sich damit um die typ­is­chen bel­gis­chen Aromen. Bei hochw­er­ti­gen Rohzuck­ern sieht die Sache natür­lich wieder anders aus: Haushalt­szuck­er trägt, vor allem in der dun­klen Vari­ante, auch ein erkleck­lich­es Aro­ma ein. Diese Vari­ante kocht weniger schau­mig als ein alka­lis­ch­er Zuck­erk­sirup und ist damit bess­er zu hand­haben.

Würdigung der Hexenküche: Du stinkst so schön

Zusam­men­fasend lässt sich für bel­gis­chen Kan­dis­sirup sagen, dass die Her­stel­lung nicht zick­en­frei ist. Alle Zutat­en haben ihre Stärken und Schwächen. Allen voran:

Kalk, der eine Zicke mit Charme ist. Kalk ver­hin­dert, dass der Geschmack ver­bran­nten Zuck­ers auftritt. Das alka­lis­che Milieu hemmt die Dehy­dratisierungsreak­tio­nen von Zuck­ern, die nor­maler­weise den ver­bran­nten Geschmack verur­sachen. Eine Testcharge vor­ab ver­mei­det Assozi­a­tio­nen an einen Arztbe­such. Eine halbe Tasse Zuck­er mit etwas Wass­er genügt. Zum Skalieren der Kalk­menge ist eine Fein­waage ein pro­bates Hil­f­s­mit­tel.

Säure – sie hemmt die Farb­bil­dung und senkt den pH-Wert ab. Das sind beste Voraus­set­zun­gen für das Auftreten von Dehy­drierungsreak­tio­nen, gle­ichzuset­zen mit dem Geschmack von ver­bran­ntem Zuck­er. Säure dankt langsames Erhitzen. Säure ist kein Bestandteil eines bel­gis­chen Sirups; sie ist ein englis­ches Missver­ständ­nis – mit ihr wird, wie in Teil 1 beschrieben, Brewer’s Invert gemacht.

Hefenährstoff – ist wie DAP die Phos­phatquelle, um die Aromen von Melanoi­dine zu erzeu­gen. DAP selb­st ist rel­a­tiv fad. Bess­er sind Hefenährstoffe von Hefe­herstellern wie Lalle­mand. Diese mis­chen ihrem Cock­tail einige Min­er­alien bei. Fer­maid K von Lalle­mand, Nutri­ent von Wyeast oder Ser­vomyces von White Labs oder ein­fach­es Hirschhorn­salz machen unter­schiedliche Aromen

Zugegeben, bis man seine Geschmack­srich­tung gefun­den hat, ist es ein län­ger­er Weg. Danach aber, wie bei allem, ist es Rou­tine. Eine, die out­stand­ing schmeckt. Und deswe­gen macht sich Stub­by bei diesem The­ma so lang. Malte Braukater blinzelt.

Editor’s Note: Teil 1 führt in eine vielschichtige Ver­suchung ein. Teil 3 ist dem gewid­met, woran sich die Geis­ter schei­den. Und Teil 4 ist der Ver­such etwas Ord­nung in die Unüber­sichtlichkeit zu brin­gen.