Das fünfte Element

Welch­er Sirup ins Bier? Klein­er Überblick für RHG-Ver­brech­er – Brausirup Teil 4
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Stiltyp­isch einge­set­zt, set­zen Zuck­er und Sirup Bieren die Kro­ne auf. Wie beim Eiskun­st­lauf geht es um Pflicht und Kür: Zum einen wird die Trinkbarkeit verbessert (Blonde, Triple, Dubbel), zum anderen der stiltyp­is­che Geschmack her­aus­gear­beit­et (Dubbel Quadru­pel, viele englis­che Stile). Sirup hat den Vorteil, dass er es später des Brauers lieb­sten Haustierchen, den Hefebak­te­rien, ein­fach­er macht. Sac­cha­romyces cere­visi­ae kann schon etwas eit­el sein; ein rot­er Tep­pich schadet nicht.

Ger­ade bei den dun­klen Stilen ist das Fin­ish­ing entschei­dend – und mit ihm die Wahl des richti­gen Sirups oder Zuck­ers. Viele Brau­rezepte gleit­en an dieser Stelle in Beliebigkeit ab, wo dann nur der selb­st­gewählte Name auf die ursprüngliche Geschmack­sidee hin­weist. Zwei Beispiele: Ein IPA verträgt hellen Brew­ers Invert, Haushalt­szuck­er, auch Demer­ara-Zuck­er, ein bel­gis­ch­er Can­dy Syrup mit starkem Eigengeschmack wäre aber fehl am Platz, soll doch der Hopfen beim IPA die erste Geige spie­len.

Umgekehrt ver­langt ein Bel­gian Dubbel nach einem “out­stand­ing” Syrup, zum Beispiel einen Brew­ers Invert No.4 oder noch bess­er einem dun­klen bel­gis­chen Can­dy Syrup, der mit Rüben­zuck­er, vielle­icht etwas Molasse und Lauge gemacht wurde, denn da sind Mail­lard-Aromen Trumpf. Haushalt­szuck­er oder heller Invertzuck­er würde das Dubbel nur ein­seit­ig schlank machen, ohne zusät­zlichen Gewinn an Gewürz- und Brot­noten, Karamell, Lebkuchen oder Tof­fee.

Die Menge macht’s

Guter Sirup kann in angemesse­nen Men­gen bes­timmte Bier­stile richtig glänzen lassen. Bel­gis­che starke helle Biere, Saisons, Dubbels und Tripels, englis­che Stouts, viele Pale Ales – alle ver­wen­den Zuck­er­sirup, Kan­dis oder Zuck­er. Dabei ist es völ­lig egal, ob es fes­ter Kan­dis oder flüs­siger Sirup ist. Sirup lässt sich nur bess­er her­stellen und lagern. Die angestrengte Luft­trock­nung beim Kan­dis ent­fällt.

Was am Gau­men schme­ichelt und eine leichte Trinkbarkeit ver­heißt, hat gle­ichzeit­ig eine Gemein­heit unter der Haube. Zuck­er und Sirup macht schwere Biere leichter, trock­en­er und trinkbar­er, aber auch dün­ner. Nicht aufgepasst, kann sich jed­er das Ergeb­nis aus­malen.

Stub­by Hobbs set­zt Zuck­er und Sirup ab ein­er Stammwürze von 15° Pla­to ein mit einem durch­schnit­tlichen Anteil an ebendieser Stammwürze von 15% Sirup oder Zuck­er. Min­i­mal sind es 10%, soll es sehr trock­en sein, sind es max­i­mal 20%.

Es gibt keine Gren­ze, wie weit man es mit Zuck­er und Sirup im Bier treiben kann. Das ist Geschmackssache und zuweilen sehr von der Stammeszuge­hörigkeit ein­er Bier­trinker­na­tion abhängig. Ein bel­gis­ches Duv­el hat um die 20% Sirup unter der Haube, das dem Duv­el sehr ähn­liche Tal­ly Ho, ein his­torisches Old Strong Ale auf der anderen Seite des Kanals, wurde einst sog­ar mit 33% Zuck­er gebraut. Und die dun­kle Farbe des englis­chen Brown Ales kam nicht allein vom Crys­tal Malt, son­dern eben von einem dun­klem Brew­ers Invert No.2 oder No. 3. Wass­er, Hopfen, Hefe und Malz, Gott erhalt’s, heißt es – aber Zuck­er und Sirup ist beim Bier brauen das fün­fte Ele­ment.

Zu bedenken ist allerd­ings: Sirup und Zuck­er machen ein Bier schlanker, ja. Im schlim­meren Fall machen sie ein Bier aber auch zu dünn und damit nicht­sagend. Wie immer kommt es auf das richtige Maß an. Stub­by Hobbs emp­fiehlt für die ersten Schritte im Sirup- und Kan­dis­meti­er nicht mehr als 10% zu ver­wen­den. Dann langsam nach oben gehen, wenn man Geschmack daran gefun­den hat; am besten in 5%-Schritten.

Fünfte Elemente

Was für Noten tra­gen die ver­schiede­nen Zuck­er und Sirups nun ein? Ein dun­kler Brew­ers Invert No. 3 mit 120 bis 140 EBC hat Noten von Lebkuchen und Dör­rob­st, vor allem Pflaume, während ein Brew­ers Invert No.1 mit 25 bis 30 EBC lediglich ein wenig Farbe ein­trägt, geschmack­sneu­tral ist und das Bier vor allem dün­ner, weniger malzig und damit trock­en­er und alko­holis­ch­er macht.

Ein Jag­gery-Zuck­er aus Indi­en hat dage­gen eine leichte Karamell­note wie ein Werthers-Echte-Bon­bon, ein Rapadu­ra-Zuck­er aus Brasilien und Cos­ta Rica ist fruchtig und erdig, malzig, mit Rum­noten, sein Ver­wandter, der Demer­ara-Zuck­er, ist mit 3% Melassean­teil dage­gen zurück­hal­tender, mit leicht­en Vanil­lenoten und feinem Tof­fee-Aro­ma, als Sirup schmeckt er nach Karamell. Turbina­do und Syra­me­na, die leicht­en Ver­wandten des Demer­ara, empfehlen sich wegen ihres niedri­gen Melassege­halts, der sie kaum von Haushalt­szuck­er unter­schei­det, weniger als Brauzusatz.

Das Gegen­teil davon ist hinge­gen der Mus­co­v­a­do-Zuck­er von der Insel Mau­ri­tius. Er ist der Spitzen­re­it­er aller Edelzuck­er in punk­to Eigengeschmack mit einem nus­sar­ti­gen Karamel­laro­ma. Die helle Vari­ante hat 4 bis 8% Melassege­halt, die dun­kle gar 15% und kann wie ein Wild­honig schmeck­en.

Richtig span­nend wird es natür­lich, wenn man seinen Brauzuck­er sel­ber macht. Am besten als Sirup. der lässt sich hin­ter­her beim Brauen bess­er ver­ar­beit­en. Oben genan­nter Zuck­er würde die schwäbis­che Haus­frau aber erröten lassen – Zuck­er und Sirup sollen mit­nicht­en die teuer­ste Zutat sein. His­torisch war Zuck­er bil­liger als Malz. Üblicher­weise fängt man heute beim Sirup­machen mit Haushaltzuck­er an. Bess­er ist es aber, diesen Haushaltzuck­er mit eini­gen Prozent Rohrzuck­er zu ver­schnei­den. Der hohe Aschean­teil von Mus­co­v­a­do, Demer­ara und Co. bedeutet viel Min­er­al­stoffe — und die heizen die Mail­lardreak­tion so richtig an.

Zuckertraditionen: England und Belgien

In Eng­land wird Brew­ers Invert in ver­schiede­nen Far­ben benutzt, entwed­er man kocht lange oder gibt Zuck­er­couleur hinzu. So entste­hen die Far­ben. In Bel­gien heißt diese Zutat Kandi­jsiroop. Sel­ber machen heißt in bei­den Län­dern: anders machen. Stub­by hat die englis­che Vari­ante in Teil eins dieser Brauzuck­er­rei­he erk­lärt, in Teil zwei und drei die bel­gis­che.

Bel­gis­che Zuck­er­sirups unter­schei­den sich grundle­gend von englis­chen.

Für den bel­gis­chen Kandi­jsiroop oder Can­dy Syrup benötigt man Zuck­er, eine Stick­stof­fquelle wie Trock­en­malzex­trakt oder Hefenährsalz und eine Base. Wenn Hefenährsalz erhitzt wird, entste­ht Ammo­ni­ak, und der hackt die Zuck­er­moleküle klein. Bel­gis­che Sirups lassen sich immer ein wenig am Ammo­ni­akgeruch bei der Her­stel­lung erken­nen. Der leicht alka­lis­che Her­stel­lung­sprozess lässt Aromen wie aus ein­er Back­stube entste­hen.

Ganz anders die englis­chen Sirups. Sie verzicht­en auf die Lauge, die son­st die Mail­lard-Reak­tion katalysiert. Sie nutzen Roh- bzw. Rohrzuck­er oder Melasse mit Haushalt­szuck­er und set­zen mit ein wenig Säure – es kann Zitro­nen­säure oder Milch­säure sein – voll und ganz auf die Invertierung. Bei der langsamen und lan­gen Erhitzung entste­hen wun­der­bare Aromen von Trock­en­frücht­en. Per­fekt für Bit­ter und Co.

Natür­lich kann man das alles mit einem Edelzuck­er wie einem Mus­co­v­a­do ein­fach­er haben. Der Reiz liegt beim sel­ber gemacht­en Brausirup ganz klar darin, dass sich mit ihm Farbe und Aro­man­u­an­cen erzeu­gen lassen, bei denen ein Mus­co­v­a­do aufgeben muss. Und schließlich muss die ein­fache Zutat nicht die teuer­ste sein. Château lafite kann jed­er. Aber große Kun­st ist es, Qual­ität aus dem Super­markt zu erken­nen. Sage noch ein­er, den Bel­giern oder Englän­dern sei die schwäbis­che Haus­frau fremd.

Editor’s Note: Teil 1 führt in eine vielschichtige Ver­suchung ein. Teil 2 beschäftigt sich mit dem Unter­schied von englis­chen und bel­gis­chen Geschmäck­ern. Teil 3 ist dem gewid­met, woran sich die Geis­ter schei­den.