Alles auf Zucker

Invertzucker selbst gemacht – Brausirup Teil 1
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Demerara-Zucker, Kandis-Zucker, Muscovado-Zucker. Zucker ist in Bieren, jenseits des Deutschen Reinheitsgebotes, gang und gäbe, trägt er doch einzigartige Aromen ein. Rosine, Pflaumen, Vanille, Zimt – die Geschmackskomponenten sind vielfältig.

Brauzucker selber machen ist leichter als gedacht. Es ist kein zeitraubendes „Hobby im Hobby“. Einfacher Haushaltszucker, ein Zuckerthermometer, Hirschhornsalz oder Hefenahrung und ein Topf, damit lassen sich ohne große Investitionen gute, erst Ergebnisse erzielen. Überteuerter amerikanischer Sirup oder belgischer Braukandis aus dem Braushop ist Luxus. Nett zu haben, aber kein Must Have. Die Lösung heißt Invertzucker. Und noch besser: Hefe liebt Invertzucker.

Die Herstellung von Invertzucker geschieht üblicherweise durch das Enzym Invertase bei niedriger Temperatur. Mit Säure ist es ein Lifehack bei höherer Temperatur. So einfach ist das! Invertzucker für Hobbybrauer ist mit einer Säure aufgeschlossener Einfachzucker. Wenn er zu Süßigkeiten wie Schokoladengarnache, Karamellbonbons und Toffee hinzugefügt wird, verhindert er, dass andere Zuckerarten kristallisieren. In Sorbet und Eiscreme eingearbeitet, liefert er eine glatte, cremige Textur. Von Natur aus hygroskopisch, absorbiert er Feuchtigkeit und verlängert die Haltbarkeit von Lebensmitteln. Und er macht ein tolles Bier. Malte verwendet alle möglichen Zuckerarten generell für seine Briten, aber auch sehr gerne für IPAs, um sie besser auszubalancieren, für Imperial Stouts, um deren Mächtigkeit schlanker zu machen.

Belgische Zucker setzen übrigens statt Säure auf Lauge. Wir aber beginnen erst einmal mit Säure und konzentrieren uns auf die Insel.

Wichtig zu unterscheiden (so ganz allgemein):

  1. Invertzucker/Brewers Invert wird mit Säure gemacht. Er ist der Engländer der Brausirups. Die helle Variante trägt keine Aromen ein und macht das Bier trockener. Die dunkle Variante trägt Karamellaromen ein. Mit höherer Temperatur oder längerer Zeit nimmt die Färbung zu. Eine zusätzliche Ammoiniumquelle wie Hefenahrung oder Hirschhornsalz verkürzt die Reaktionszeit. Der Brewer’s Invert genannte Brausirup ist auch geeignet für belgische, vornehmlich aber englische und amerikanische Bierstile. ⇒ Teil 1
  2. Kandissirup/Candi Syrup wird mit Lauge und Kalk gemacht. Er ist der Belgier der Brausirups. Ziel ist eine forciercte Maillard-Reaktion durch Temperatur + Zucker + Protein. Ein hoher pH-Wert von 9 – 11 und eine zusätzliche Ammoiniumquelle wie Diammoniumphosphat (DAP), Hefenahrung oder Hirschhornsalz begünstigen diese. Der Unterschied ist ein stärkerer Eigengeschmack mit Röstaromen wie gemahlener Kaffee, dunkles Steinobst und geröstetes Brot. Er ist geeignet für dunkle belgische Bierstile wie Dubbel, Quadrupel. ⇒ Teil 2
  3. Molassesirup/Blackstrap wird als Blend aus Invertzucker und Molasse gemacht. Er ist der Kreative der Brausirups. Molasse trägt einzigartige Aromen wie Lakritz ein. Durch die starke Färbung wird die Zeit zur Herstellung sowohl von englischem Brewers Invert als auch belgischem Candy Syrup deutlich verkürzt. Molassesirup ist geeignet für viele dunkle Bierstile. ⇒ Teil 3

Invertzucker ist chemisch gesehen Honig ähnlich. Normaler Haushaltszucker besteht aus dem Disaccharid Saccharose, Invertzucker besteht aus den Monosacchariden Glucose und Fructose. Diese beiden sind Hefes Liebling; sie müssen nicht so hart arbeiten muss, um das Zuckermolekül zu verdauen. Hefen schätzen eben auch Word-Life-Balance. Die Maillard-Reaktionen, die bei der Herstellung von Zuckersirupen ablaufen, können im Bier Wunderbares bewirken. Die satten Nuancen belgischer Dubbels und dunkler starker Ales haben oft mehr mit tief gefärbten Zuckern als mit Spezialmalzen zu tun.

Gut zu wissen ist, dass viele Prozesse bei der Sirupherstellung parallel ablaufen. Invertierung, Karamellisierung, Maillard-Reaktion lassen sich kaum trennen. Zuerst hat die Herstellung in England und Belgien sehr viel mit den Traditionen der eigenen Bierkultur zu tun, weniger mit chemischer Rechthaberei. Die war den Braumeistern früherer Tage völlig schnurz. Zugegeben, letztere macht den kleinen Unterschied aus.

Invertzucker hat im Vergleich zu anderen Zuckersorten einen etwas weicheren, milderen Geschmack. Invertzuckersirup, der aus Rohrzucker hergestellt wird, ist besonders förderlich für britische Bierstile. Biere, die mit diesem Zucker hergestellt werden, scheinen trocken und sauber abzuschließen. Und sie entwickeln oft einen subtilen fruchtigen, sirupartigen Abgang, der mit anderen Zutaten nur schwer zu erzielen ist.

Invertzucker Zutaten

Um es klar zu sagen: Braukaramell und Invertsirup sind nicht dasselbe. Mit Temperatur- und Feuchtigkeitskontrolle lassen sich wie bei den kommerziellen Angeboten Invertzucker-Sirupe in einer Reihe von Farben und Geschmacksrichtungen herstellen.

Säure und Karamellisierung

Ohne Säure wird nur der Karamellisierungsgrad manipuliert, von klarem Weiß bis zum tiefsten schwarzbraunen Karamell. Mit Säure laufen bei Prozesse parallel ab, wobei die Karamellisierung mit der Temperatur steigt. Allein das Erhitzen von Zuckersirup kann ein so dunkles Karamell ergeben, dass eine Inversion nicht unbedingt notwendig ist.

Die Inversion hat einen entscheidenden Vorteil: Im Gegensatz zu Karamell kristallisiert invertierter Zucker so gut wie nicht. Die Inversion oder Säurehydrolyse ist mit einem sehr geringen Anteil einer Säure in Lebensmittelqualität einfach durchzuführen, und theoretisch gilt: Je weniger zusätzliche Arbeit Hefen während der Gärung leisten müssen, desto gesünder werden sie sein. Glückliche Hefe macht besseres Bier.

Beim Inversionsverfahren wird in Wasser gelöster Zucker mit einer kleinen Menge Säure versetzt. Für klaren Invertsirup, also des Briten Liebling, nimmt man puren weißen Kristallzucker. Einfacher Kristallzucker neigt dazu sich im Bier zu versenden, es wird alkoholischer, der Abgang trockener, das Gaumengefühl frischer. Mithin ist diese Variante erste Wahl wie für britische Ales und englische IPAs, wo Karamell, dunkler Rum und Rosineneigenschaften – Vorsicht Exkurs: Belgiers Lieblinge –unerwünscht sind. Das klare Zeug ist wahrscheinlich auch die Wahl des Konditors und Bäckers. Maltes Wahl ist das auch. IPA und Saisons sind seine Lieblinge mit diesem Zeugs, die dunklen Varianten folgen später.

Je nach Bierstil

Um Unglücke wie eine überschäumende Zuckerlösung zu vermeiden, empfiehlt sich eine Kasserolle mit hohem Schüttrand. In diese legt man einen halben Liter heißes, abgekochtes Wasser oder Osmosewasser vor. Nun rührt man 1 kg Kristallzucker ein und erwärmt alles unter Rühren vorsichtig. Die Lösung ist anfangs trüb, klärt sich aber binnen weniger Minuten. Das ist dann der richtige Zeitpunkt für die Säuregabe. 1/4 Teelöffel entsprechend 1 g Säure wie Weinstein (Kaliumbitartrat), Zitronensäure oder sogar Ascorbinsäure (Vitamin C).

Invertzucker Vorbereitung

Viele Brauer, auch Malte, bevorzugen Milchsäure 80 %. Sie schmeckt weniger durch als etwa Zitronensäure; 3ml, etwas mehr als ein halber Teelöffel, genügen vollauf. Die Lösung wird nun bis 114 °C langsam erhitzt. Langsam, um Maillard-Reaktionen zu minimieren, die sonst Farbe und Geschmack im Sirup entwickeln würden. Nun noch eine Messerspitze entsprechend 1g Hirschhornsalz aus den Resten der Weihnachtsbäckerei als Ammoniumquelle dazugeben. Das beschleunigt den Farbumschlag. Genau so gut ist Hefenahrung.

Diese Prozesseschritte haben sich bewährt: Erstens löst sich Zucker im warmen Wasser besser, zweitens schäumt die Säure bei späterer Zugabe unterhalb der Inversionstemperatur von 114 °C weniger auf. Einmal invertiert, kann dieser helle Sirup monatelang gelagert werden.

Wer einen neutral schmeckenden Sirup mit einer dunkleren Farbe möchte, muss die Zeiten nach folgender Tabelle bei 114 °C einfach verlängern; auf speziellen Thermometern steht dafür der Begriff „soft ball“. Bei gleichbleibender Temperatur dunkelt Invertzucker mit abnehmendem Wassergehalt nach:

Ungefähre Zeitangaben:

  • Nr. 0: hellgelb-orange -> höchstens 20 Minuten
  • Nr. 1: honigfarben-bernstein -> mindestens 20min, aber nicht viel länger, sonst dunkelt die Farbe stark nach. Zeit ist lediglich dazu da, die Inversion zu vervollständigen.
  • Nr. 2: bernsteinfarben-bronze -> insgesamt 90-120 min
  • Nr. 3: bronzefarben-rotbraun -> insgesamt 150-210 min

Die Zeiten für Nr. 2/Nr. 3 sind ungefähre Angaben. Es hängt viel von Wassergehalt, Herd und sofort ab. Ausprobieren. So ist es eine gute Idee periodische Farbmuster in 10-minütigen Abständen zu entnehmen. Die Proben legt man auf weiße Teller und vergleicht sie mit EBC-Diagrammen. Nicht wundern: Beim Abkühlen wird der Sirup 4-6 EBC dunkler.

Wer mehr Geschmack wagen will, geht in die Temperatur. Dazu folgend mehr.

Mehr Geschmack wagen

Wer etwas mehr Geschmack und Farbe wünscht, dem stehen mehrere Möglichkeiten zur Auswahl. Am einfachsten ist es, den Vorgang mit Rohrohrzucker oder ein Mischung daraus zu wiederholen. Von Anfang an lässt sich hier eine leichte Bräunung des Sirups feststellen; diese dunkelt weiter nach.

Zucker invertieren

Variante 2: Lässt man den Sirup weiter kochen, ohne die Temperatur zu regeln, steigt diese immer schneller an, Wasser verdampft, der Sirup karamellisiert zunehmend, entwickeln Rosinen- oder Pflaumenaromen. Nähert sich der Sirup schließlich dem „Hard-Crack“-Bereich bei 149-154 ° C an, erreicht er einen tiefen, dunkelroten, kolabraunen Farbton. Rosine, Toffee und Co. intensivieren sich.

Zuckerkonzentration je Temperatur:

  • Thread: 106 °C bis 112 °C | Zuckerkonzentration 80 %, Invertierung setzt ein, Brewer’s Invert Nr. 0
  • Soft Ball: 112 °C bis 116 °C | Zuckerkonzentration 85 %, hell Farbe, Brewer’s Invert Nr.0 bis Nr.1
  • Hard Ball: 121 °C bis 130 °C | Zuckerkonzentration 92 %, Brewer’s Invert Nr. 1
  • Soft Crack: 132 °C bis 143 °C | Zuckerkonzentration 95 %, Brewer’s Invert Nr. 1 bis Nr. 2
  • Hard Crack: 149 °C bis 154 °C | Zuckerkonzentration 99 %, Brewer’s Invert Nr. 2 bis Nr. 3

→ Bei Herstellung in größeren Höhen ist alle angefangene 300 Meter je 1 °C abzuziehen.

→ Brewers Invert Nr. 2 und Nr. 3 sollte vor dem Abfüllen etwas verdünnt werden.

Kritischer Moment

Der Hard Crack ist ein kritischer Punkt, denn der Sirup wird bei nur einem Grad mehr verbrennen. Bevor man dort ankommt, sollte das Temperaturniveau bei 149 ° C gehalten werden. Entsprechende Zuckerthermometer wie im Bild oben haben dafür Markierungen. Es kann sogar ein Hauch von verbranntem Zucker in Richtung des oberen Bereichs auftreten. Dies ist das äußerste Ende der Farbskala für den Sirup mit gegebenen Mitteln. (Brewer’s Invert No. 4, eine noch dunklere, dritte Variante, wird ein eigenes Thema sein.)

Britische Brauereien sortierten ihre Invertsirupe traditionell in drei Nuancen. Dies hindert aber niemand daran, alle weiter erdenklichen Variationen herzustellen. Allen diesen Sirupen gemein ist: Jeder wird einzigartige und interessante Geschmacksrichtungen und Aromen zum Bierrezept beitragen, so dass es sich lohnt mit verschiedenen Kombinationen im Bier zu experimentieren.

Best Practice:

  • Bei einer Temperatur von 127 °C bis 135 °C lässt sich die Farbgebung am besten steuern.
  • Die Farbe ändert sich allmählich von klar zu hell bernsteinfarben zu tiefrot.
  • Für Brewer’s Invert Temperatur langsam erhöhen, schnell forciert die Karamellisierung
  • Für die Farbe Gelb-Amber (Brewer’s Invert Nr. 1) empfiehlt sich der Bereich zwischen Hard Ball und Soft Crack: 15 Minuten halten
  • Für die Farbe Tiefrot-Braun (Brewers Invert Nr. 2 bis Nr. 3) empfiehlt sich der Bereich zwischen Hard Ball und Soft Crack: dies kann mehrere Stunden dauern.
  • Wenn der Sirup die gewünschte Farbe hat, Temperatur bis zum Hard Crack auf 150 °C erhöhen und sofort vom Herd nehmen.

Vorsicht: Verpuffungsgefahr

Wenn die gewünschte Farbe erreicht ist, schaltet man den Herd aus und lässt den Sirup bei Zimmertemperatur ohne weitere Aktionen abkühlen. Je nachdem was man gerade fabriziert hat, ist es entweder ein schwerer Sirup geworden oder ein zähes, Toffee-ähhnliches Bonbon, das Gefahr läuft steinhart zu werden. Bevor steinharte Bonbons den Brauer am Brautag zur Verzweiflung bringen, kann man vor dem Erkalten den Sirup wieder mit etwas Wasser verdünnen. Auf keinen Fall darf man das aber unmittelbar nach dem Abschalten des Herdes machen – es besteht zu diesem Zeitpunkt höchste Verpuffungsgefahr: das Wasser explodiert und verdampft sofort. Üble Verbrennungen sind die Folge. Wer verdünnen möchte, wartet ab, bis der der Sirup auf unter 100 °C abgekühlt ist und verdünnt erst dann!

Ein derart verdünnter Brausirup hat gerade mal einen Wasseranteil von 25 %. Brausirup wird wie Brauzucker nicht per Volumenprozent sondern nach Gewichtsprozent berechnet, das ist wichtig für die Stammwürze. Näherungsweise lässt sich der Zuckeranteil im Sirup mit dem Anfangs- und Endgewicht berechnen – es verdampft nur Wasser. Wer es ganz genau haben will, berücksichtigt noch die Gewichtszunahme des um ein Wassermolekühl schwereren Invertzuckers, wie es manch Chemiker unter den Hobbybrauern empfiehlt.

Invertzucker 4 Farben

Editor’s Note: Teil 2 beschäftigt sich mit dem Unterschied von englischen und belgischen Geschmäckern. Teil 3 ist dem gewidmet, woran sich die Geister scheiden. Und Teil 4 ist der Versuch etwas Ordnung in die Unübersichtlichkeit zu bringen.